Nahe Null: [gangsta Fiction]
gefangen gehalten wird oder mit ihrem Einverständnis zu einer Hure gemacht wurde - was geht mich das an! Vielleicht ist ja gar nichts, und das war nur einer dieser hypermodernen Filme, mit Spezialeffekten und enorm begabten Schauspielern? Bestimmt ist es so! Warum nachhaken? So ist es, bestimmt ist es so. Ich mache mich doch zum Idioten, wenn ich, außer Atem und staubig von der Reise, angekeucht komme und sie retten will, und sie liegt gesund und munter da, auf einem Liebhaber, der prall ist wie eine nagelneue Brieftasche, sie verbrennt sich den Mund an der gebratenen Foie gras, die sie zusammen verzehren, lacht über meine Sorge und mein Mitleid und nennt mich einen Schwachkopf.
Aber wenn es ihr tatsächlich schlecht geht? Wofür kannst du dich dann noch achten? Dafür, dass du dich nicht um jene kümmerst, die dein Kümmern nicht zu schätzen wissen; dass du niemanden liebst, der dich nicht liebt; dafür, dass du dich nicht vor einer Frau demütigst, die dich so viele Male gedemütigt hat, die dich schlicht und ohne Bosheit verachtet, dass du dich nicht für sie ins Feuer stürzt, sondern vorübergehst wie ein Fremder? Oder für deine Großmut, deinen Edelmut, die pedantische Abrechnung für die Stunden des Betrugs, die besser waren als jede noch so reine Liebe und noch so aufrichtige Treue? Für das Eingeständnis deiner Liebe zu ihr, die unermesslich, unablässig ist und, weil unerwidert, bis ans Ende des Lebens, bis an Anfang und Ende der Ära reicht? Für den Schritt ins Feuer - und nicht nur zu Plaksa, sondern zu deiner Liebe zu ihr, zu dir selbst, der du längst nicht mehr zu trennen bist von dieser Liebe und mit der zusammen du untergehst und um Hilfe rufst?... Jegor drehte sich auf die andere Seite und überlegte weiter. Und dann drehst du dich um und siehst - alles Unsinn, Unsinn! Oder noch schlimmer - eine Falle, raffiniert aufgestellte Netze, Fangeisen und Hinterhalte.
Was will ich von dieser Plaksa? Angenommen, ich finde sie, spüre ihre Peiniger auf, was mache ich dann mit ihnen? Ihnen erbauliche Fabeln von Sergej Michalkow vorlesen? Kapitel dreizehn des ersten Briefs an die Korinther? Das würde doch nichts bringen. Ihnen verzeihen? Und ihr? Wozu sie dann suchen? Verzeihen kann ich auch einer Abwesenden, dafür muss ich nichts herausfinden, nichts untersuchen, nicht vor Chief den Buckel krumm machen, mich nicht anstrengen. Und wenn nicht verzeihen - was dann? Erschießen - nicht mehr, aber auch keinesfalls weniger. Aber damit habe ich Schluss gemacht, aufgehört, das habe ich mir abgewöhnt. Ich habe so viel darüber nachgedacht, mich so lange darauf vorbereitet, mich so schwer daran gewöhnt. Das Leben ohne Tod ist lebendig, es begann doch zu gelingen. Du sollst nicht töten, nicht töten. Du sollst nicht töten, ich soll nicht töten, du sollst mich nicht töten und ich dich nicht. Eine so große Sache wegen dieser, streng genommen, Kreatur ... Eine große Sache, die vielleicht mit mir anfängt und womöglich wegen dieser, streng genommen, Nutte scheitert... Die Sache ist zwar von vornherein zum Scheitern verurteilt, aber selbst wenn nur ich allein dem Tod abschwöre - was für ein Gewinn für das Leben! Ich mache ja pro Jahr an die zehn Leute kalt. Allerdings solche, die, wenn sie weiterleben, selber jedes Jahr fünfzehn andere umbringen. Aber das ist nicht meine Schuld, das Urteil darüber wird höheren Orts gefällt.
Nein, ich darf nicht töten, ich darf nicht; wenn sie es wenigstens wert wäre, aber dieses Flittchen? Ich weiß noch, einmal kommen wir zu Tschatschawa, inzwischen ist er ja tot, und sie wirft ihm vor aller Augen ständig Blicke zu und tanzt dann absolut verboten; ich bin wütend, und sie freut sich, und das macht mich noch wütender; und dann ist er weg, anscheinend gegangen, und sie geht kurz raus, und sie kommt und kommt nicht wieder; und jemand sagt zu mir: »Geh nach oben, da sind sie«, und sie sind da, auf dem Klo, alle beide, ich trete die Tür ein, und sie sind da am ... Und wegen ihr Rache nehmen? Eine Sünde auf meine Seele laden? Um keinen Preis! Ich muss verreisen, Urlaub machen. Jegor wählte die Nummer eines Reiseunternehmers. »Artur, hier ist Jegor. Ich will morgen nach Norwegen, nach Bergen, in dasselbe Hotel wie damals. Dasselbe Zimmer, ja, mit Blick auf den Fjord. Und ein Boot. So zehn Tage. Dasselbe Boot. Und fischen will ich. Dieselben Dorsche ... nein, nein, nicht buchstäblich natürlich, die haben wir ja damals aufgegessen, gleich so, roh, mit Aquavit
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