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Nahe Null: [gangsta Fiction]

Nahe Null: [gangsta Fiction]

Titel: Nahe Null: [gangsta Fiction] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nathan Dubowitzki
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Ryshik mit erlegten Tieren und geangelten Fischen, Ryshik im Kreis von Freunden und Freundinnen die frech feixende Fresse des jungen und gut aussehenden Albert Mamajew heraus. Eine Schwarzweißaufnahme, schärfer und größer als die übrigen auf dem unbenutzten Flügel aufgereihten Fotos. Albert und Ryshik, zwei Feldwebel, braungebrannt, glücklich Demobilisierte. Großaufnahme. Gardeabzeichen, Abzeichen mit einem »M«, Medaillen mit nicht zu entziffernden Inschriften.
    »Wer ist das?«, fragte Jegor das Foto.
    »Wo?«, antwortete Ryshik anstelle des Fotos, riss sich vom Fußball los, erhob sich vom Sofa und ging zu Jegor. »Ach, der. Alik Mamin. Spitzname Mamai. Wir haben zusammen in Afghanistan gedient. Ein komischer Kerl. Wollte unbedingt ans Filminstitut, Regie studieren. Nach dem Militär haben wir zusammen ein Geschäft aufgezogen. Aber wir konnten uns nicht zusammenraufen. Er konnte sich mit keinem zusammenraufen.«
    »Warum?«
    »Er war unnötig brutal. Tötete ohne jede Not. Auch in Afghanistan wäre er wegen Zivilisten beinahe vorm Kriegsgericht gelandet. Zum Glück hat ihn der Bataillonskommandeur rausgehauen. Aber sonst war er kein schlechter Kerl, mutig und ziemlich schlau. Hat Bücher auf Englisch gelesen, Gedichte und so. Kein übler Junge, aber ein Schwein. Warum interessiert dich das? Kennst du ihn?«
    »Ja. Jetzt kenne ich ihn. Wann hast du ihn zum letzten Mal gesehen?«
    »Vor drei, vier Jahren. Ich weiß nicht genau. Wieso?« »Hast du seine Adresse?«
    »Irgendwo bestimmt. Zumindest seine Telefonnummer«, überlegte Ryshik. »Aber was willst du damit?«
    »Nur so.« Jegor klapperte mit den Zähnen. »Nur so, irgendwie. Komm, gucken wir Fußball.«
    »Na schön. Gucken wir Fußball.«
    Ryshik wies auf einen Sessel und gab ihm eine Flasche Bier. Unsere Mannschaft, die sich achtzig Minuten lang tief im eigenen Hinterland rumgedrückt hatte, war irgendwie unversehens als ungeordneter Haufen bis zum gegnerischen Tor gelangt, stieß noch eine Viertelstunde lang die Fremden tolpatschig in die Seiten und vor die Brust und schoss schließlich ein unspektakuläres, vom bereits fast eingeschlafenen Schiedsrichter nur mit Mühe akzeptiertes Tor. Ryshik brüllte etwas von Kursker Bogen und Gagarin, und Jegor fühlte sich so unglaublich wohl, dass er in den Garten hinausstürmte und erschöpft von dem plötzlichen Freudenausbruch auf eine Bank am Anfang der tatsächlich großartigen Import-Linden-Allee sank.
    Es wurde Abend, und vom gegenüberliegenden Eingang wälzte sich die untergehende Sonne in die Allee (Ryshik hatte den Park in der Tat genial projektiert). Vor der Sonne pendelte ein schwarzer Punkt, der nach wenigen Augenblicken zu einem dunklen Fleck angewachsen war, als triebe die Sonne einen kleinen, unentdeckten Planeten vor sich her. Jegor schaute genauer hin und erkannte in dem Fleck eine menschliche Silhouette. Der Mensch kam rasch näher, und wenn Jegor nicht so voller Freude gewesen wäre, hätte er gedacht - allzu rasch. Er kam näher und war nun ganz zu erkennen - er war schwarz gekleidet, mehr als das - ein waschechter Mönch. Jegor war zu gut gelaunt, um sich zu wundern, zudem wusste er seit langem aus der klassischen Literatur, dass Mönche häufiger anzutreffen sind als gesunder Menschenverstand, das heißt hin und wieder. Der Mensch in Schwarz hatte Jegor erreicht und wollte, nach einem flüchtigen Gruß, der eindeutig von einer Frauenstimme kam, zum Haus weitergehen.
    »Guten Tag, Schwester«, begrüßte Jegor die Nonne freudig. »Wollen Sie zu uns?«
    »Kommt drauf an, wer Sie sind.« Die Schwester blieb kurz stehen.
    »Jegor.«
    »Nein, ich will erst einmal zu jemand anders. Aber freut mich, auch Sie kennenzulernen.«
    Die Stimme der Nonne kam Jegor betäubend bekannt vor.
    »Nikita Marijewna! Sie!«
    »Das war ich mal. Jetzt bin ich Schwester Jepifania.«
    »Aber Sie sind doch dauernd in die Synagoge gerannt!«
    »Und in der Synagoge wurde ich erleuchtet, Jegor. Da war eine Stimme. Sie kam direkt aus dem Kronleuchter. Sie hat gesagt, geh, werde Nonne, suche die Wahrheit in Jesus Christus.«
    »Na ja. Nicht Jude noch Grieche, ja, das kann jedem passieren. Und wohin wollen Sie?«
    »Ich besuche heilige Orte. Hier in der Nähe gibt es eine wundertätige Quelle. Und hierher bin ich gekommen, um ein Stück Brot zu erbitten.«
    »Ja, ja. Das gibt Ihnen Ryshik. Und die Quelle habe ich gesehen. Sie ist schmutzig.«
    »Sie haben nicht die Quelle gesehen, sondern den Schmutz.«
    »Nun ja, nun

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