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Nahe Null: [gangsta Fiction]

Nahe Null: [gangsta Fiction]

Titel: Nahe Null: [gangsta Fiction] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nathan Dubowitzki
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ja. Nonne werden ... Das ist doch auch eine Art, den Tod zu fürchten. Wie Fußball. Ich verstehe Sie, obwohl ... Ach nein, ich verstehe Sie.«
    »Es gibt keinen Tod, Jegor.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Wissen gibt nur Wissen und weiter nichts. Ungewissheit gibt Hoffnung, Glauben, Liebe.«
    »Dann muss man die Wissenschaft, die Technik, die Zivilisation, die Kultur zerstören. Um nichts zu wissen.«
    »Nicht doch, Jegor! Städte und Bücher verbrannt haben doch genau diejenigen, die wussten, was sie wollten, die die Dreistigkeit besaßen zu wissen, wie die Welt beschaffen sein soll.«
    »Und warum, Nikita ... Schwester Epitaphia ... Jepifania, kann ich durch Sie hindurch die Linden und Rosen sehen? Oder kommt mir das nur so vor?«
    »Nein, das ist schon richtig. Esst nicht, lest nicht, hört auf nichts, was mit Gewalt erreicht wurde. Und ihr werdet erleuchtet. Und hört auf, an den Tod zu denken, fangt an, mit Liebe zu denken, und ihr werdet wie Licht.«
    »It's easy if you try«
    »Isi, isi. Wahrlich, so ist es. Schönen Gruß an Sergei'tsch und Chief.«
    Nikita Marijewna verschwand rasch in Richtung Haus. Doch so freudig erregt Jegor auch war, bemerkte er doch, dass sie nicht den Boden berührte, und ihm fiel auf, dass er ihr Gesicht gar nicht richtig gesehen hatte.
    »Jegor, entschuldige, aber mit wem sprichst du da?«, fragte, wie ein schrilles Weckerklingeln, ein entgeisterter Ryshik, der zu Jegors Verwunderung und zugleich auch großen Freude neben ihm auf der Bank saß, eine Menge Bier und tote Krebse in beiden Händen.
    »Mit Nikita.«
    »Mit welchem Nikita?«
    »Na, mit der Nonne.«
    »Hier ist keine Nonne und auch kein Mönch Nikita. Was soll das! He, Jegor, das sieht nicht gut aus. Du brauchst einen Arzt. Ich sitze hier seit einer halben Stunde neben dir und höre zu, wie du mit deinen Schuhen diskutierst! Mann, da ist eine Sicherung durchgebrannt, Bruder, ein klarer medizinischer Fall.«
    »Noch nicht ganz, Bruder, ich bin erst auf dem Weg. Über mein Gehirn hat sich eine Zwangskappe gestülpt, aber ein paar letzte Gedanken dringen noch durch. Ich schenke sie dir, solange ich mich noch verständlich ausdrücken kann.
    Sieh, alles um uns herum ist nicht Leben, sondern nur ein Modell. Ein grobes Abbild des Lebens, innen hohl und leer und außen aus dem Erstbesten zusammengefügt, aus völlig untauglichem Material, aus Staub, Asche und Gerumpel, im Grunde also aus Tod. Wie die Bewohner einer waldigen Gegend ihre Heiligtümer aus Birkenbast und Kiefernmulm errichteten und die Steppenstämme aus Sand und Dung, so formen auch wir unser Leben aus dem verfügbaren toten Material, aus dem, was massenhaft greifbar ist, wonach man nicht lange suchen muss. Aber nicht das ist das Wichtigste, nicht dass man aus Tod kein Leben machen kann, ebenso wenig wie Licht aus Staub, und dass uns darum kein ewiges Leben gelingt, sondern dass es das ewige Leben gibt, ja, es gibt es. Das ist das Wichtigste, denn das ist es, was wir modellieren, das ist es, wonach wir streben. Das heißt - wir sehen es, und es ist gar nicht so weit entfernt, es ist zumindest in unserem Blickfeld, und damit es uns glückt, müssen wir aufhören, auf den Tod zurückzugreifen, um es zu erreichen. Wenigstens aufhören, einander zu töten und zu foltern. Es wäre natürlich gut, auch mit dem Betrügen aufzuhören, mit der Gemeinheit, der Feigheit und der Schadenfreude, dem Neid und der Gier ... Aber das kommt später, das ist eine Kleinigkeit, und alles auf einmal ist unmöglich. Aber - nicht töten, nicht quälen. Das ist doch nicht so schwer. Ich zum Beispiel dachte, ohne Pistole kommt man nicht zu Geld. Aber das stimmt nicht - es geht, und auch Macht kann man erlangen, ohne jemanden zu vernichten. Es geht, ja, es geht. Wir müssen aufhören. Wir müssen auf neue Weise leben. Jetzt gleich. Und wenn schon nicht alle - dann wenigstens ich. Man kann doch keine Unsterblichkeit erlangen, wenn man selbst nur Tod schafft. Vom Leben darf nur Leben ausgehen. Das ist doch widersinnig - wir wollen Unsterblichkeit, schaffen aber selber nur Tod.«
    »Na, du bist ja in Fahrt, Jegor«, sagte Ryshik schließlich. »Ich bin gleich wieder da. Warte. Pass auf deinen Kopf auf. Halt wenigstens noch fünf Minuten durch, tick jetzt nicht aus.« Ryshik lief ins Haus und blieb, wie es Jegor schien, ziemlich lange weg. Gerade, als er erneut am Ende der Allee einen Fleck zu entdecken meinte, tauchte der Freund wieder auf. Und der Fleck verschwand wieder.
    »Hier, für dich.

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