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Nahe Null: [gangsta Fiction]

Nahe Null: [gangsta Fiction]

Titel: Nahe Null: [gangsta Fiction] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nathan Dubowitzki
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Das war doch er. Ich hab's kapiert. Das ist ganz sein Stil. Er hat auch damals gern Finger abgeschossen. Er ist bei den Aufklärern wegen Brutalität rausgeflogen. In Afghanistan! Du kannst dir also vorstellen, wie der sich aufgeführt hat! Das ist doch wie eine Rüge wegen Lasterhaftigkeit im Bordell. Und später, im Zivilleben, wollten wir Afghanen nichts mit ihm zu tun haben. Obwohl da ziemlich hirnlose Kerle dabei waren, aber selbst für uns, selbst für unser Business war er zu krass. Hier sind seine Adressen und alles, die Telefonnummern von ein paar seiner Bekannten. Schon drei Jahre alt, aber besser als nichts. Schnapp ihn dir. Das ist dein gutes Recht. Er hat mich zwar bei Gerat aus einem abgestürzten Hubschrauber gerettet, aber so kann er nicht mit dir umgehen. Mach ihn platt. Allerdings ist er ein fixer Bursche, kann sein, dass er dich zuerst erwischt. Aber so oder so ist dir dann leichter, denn so wie jetzt, nach all dem, was passiert ist, was er mit dir gemacht hat, kannst du nicht weiterleben. Da kriegst du garantiert einen Dachschaden. Also, hier hast du Mamai, rechne mit ihm ab, und dann mach Schluss und lebe ohne Tod, wie du gerade gesagt hast.«
    Jegor überlegte und überlegte, zögerte und zögerte. Ryshik wartete, wartete und sagte: »Wie du willst.« Er legte ein zweifach gefaltetes Blatt Papier auf die Bank, beschwerte es mit einem gekochten Krebs und ging in die Allee, einen Spaziergang machen, wozu er seine Frau als Begleitung herbeirief. Jegor wartete, bis die Ryshiks gebührend weit weg waren, überzeugte sich, dass sie sich nicht umdrehten, und das keineswegs vorhatten, sah sich nach allen Seiten um wie ein Dieb, griff rasch nach dem Papier und steckte es in die Tasche. Sofort war sein Kopf wieder kühl, die heiße Freude hatte sich gelegt, er war nun ruhig, ihn durchströmte Wärme, wie in der Kindheit, wenn die Großmutter in der tiefen Dunkelheit auf der Terrasse mit der Nachbarin über die anderen Nachbarn tratschte und der Abend sommerlich sanft, gemütlich und warm war und dunkel wie die eben erst erschaffene Welt. Seine Seele hatte sich beruhigt und entwirrt - sie wollte dem Weg der Rache an der Biegung des Schicksals folgen. Er wusste, was er tun musste, er wusste, was geschehen würde. Er war mit bleierner Schwermut geladen, deren Spitze auf das Ziel gerichtet und die durch die Kraft des eigenen Gewichts dazu verurteilt war, mit wachsender Geschwindigkeit und pfeifend direkt mitten ins Ziel zu fliegen. Mamajew musste sterben.
    Am nächsten Tag war Jegor bereits in Moskau.
     

43
    Es verging rund ein halbes Jahr, höchstens ein Jahr. Jegor hatte sich in die ungewohnte Rolle des Krüppels eingelebt, fühlte sich aber darin aber keineswegs wohl. Die Wunden waren verheilt, doch der Körper war von innen und außen noch lädiert und verbeult. Vor dem Einschlafen folgte er den Dellen mit seinen Handstümpfen und betete fluchend.
    Auch seine Seele, als wäre sie ein Abbild des verstümmelten Leibes, krümmte und verzog sich, riss auf, und das Leben in ihr wurde nach außen gedrängt, zerschliss und war nicht mehr zu gebrauchen.
    Als Nastja ihren dreifingrigen, einohrigen Vater erblickte, wich sie entsetzt zurück und wurde, nachdem sie drei Tage bei der Exfrau geweint hatte, für das letzte Geld, das Jegor nach dem Treffen mit den Chasaren geblieben war, in ein Schweizer Sanatorium geschickt, um dank Elektroschlaf und Alpenluft kuriert zu werden. Jegor erhielt vom dortigen Kinderpsychiater deutschsprachige SMS, übersetzte sie mit Hilfe von Internet-Wörterbüchern und erfuhr so, dass die einzige Medizin gegen Nastjas Störung ein striktes Umgangsverbot mit dem Vater sei. Was beliebige Erwähnungen des Vaters, ebenso das Betrachten von Foto- und Videoaufnahmen mit ihm betraf, so waren diese strikt zu vermeiden. Der Doktor teilte mit, dass kleine Tochter sich bereits besser fühle, um den Erfolg jedoch zu stabilisieren, müsse Tochter jeden Kontakt zum Vater abbrechen, direkten wie indirekten. Natürlich nur für eine gewisse Zeit, ein paar Jahre, höchstens zehn, wenn der Fall sich als schwer erweisen sollte.
    Hauptmann Warchola, die noch immer an die Blumen dachte, beschloss, ein neues Leben zu beginnen, und schaltete Abdallahs künstliche Ernährung ab. Sie beauftragte einen katholischen Priester, seine Seele in nicht allzu entlegene Gefilde zu geleiten, zog Zivilkleider an und fuhr zu Jegor. Sie wusste, dass er aus dem Süden nicht ganz heil zurückgekommen war, hatte ihn am Telefon

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