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Nahe Null: [gangsta Fiction]

Nahe Null: [gangsta Fiction]

Titel: Nahe Null: [gangsta Fiction] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nathan Dubowitzki
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sehr, die Tragödie: Niemand hat Plaksa getötet, sie ist meine Geliebte, sitzt nebenan, schaut uns durch beispielsweise diese Kamera zu und amüsiert sich. Na? Besser?«
    »Dann soll sie reinkommen. Sich zeigen. Und das Problem ist erledigt.« Jegor schöpfte Hoffnung.
    »Sie glauben mir nicht. Müssen Sie auch nicht. Und überhaupt, wozu wollen Sie es wissen? Wissen bringt nur Wissen, Unwissenheit dagegen Hoffnung. Nicht überzeugt? Dann Version Nummer drei: die Komödie. Es existiert ein Klub von Leuten, die gern zuschauen, wie andere krepieren. Wie sie sich winden und um Gnade bitten, wie sie ihr menschliches Antlitz verlieren. Und sie möchten nicht nur heimlich dabei zuschauen, sie möchten es offen tun, zusammen mit einem Haufen anderer Leute. Denen allerdings weisgemacht wird, das Ganze sei nur gespielt, Kino, Avantgarde natürlich, Ultra-Avantgarde. Der Naturalismus ist schöpferisch begründet, als Suche nach einer neuen Ästhetik. Und womöglich nach einer neuen Ethik. Im Saal sitzen hundert, zweihundert Leute, und nur zehn, zwölf von ihnen wissen, dass der Film reale Szenen enthält, echter Folterungen und Hinrichtungen. Sozusagen dokumentarische Szenen, Live-Videos. Live-Tod. Wenn so etwas möglich ist - aber was ist heutzutage nicht möglich? -, dann ist Plaksa wirklich tot. Zu Tode gequält, erwürgt. Und was wollen Sie dann tun?« Der Regisseur wandte sich ab, beugte sich über einen Tisch und klapperte mit Skalpellen, Spritzen und Zangen.
    Jegor begriff allmählich, dass er mehr als verloren war, nämlich total verloren.
    »Warum bin ich hier?«, fragte er.
    »Sie wollten es«, scherzte Mamajew. »Die Chasaren haben Ihnen eine Million Dollar für mich abgeknöpft. Mich an Sie verkauft. Zuerst. Und dann haben sie Sie an mich verkauft. Für zehntausend derselben Währung. Nicht weil sie Sie hundertmal weniger achten und schätzen, sondern weil die Chasaren, die unser großer Dichter einst unvernünftig nannte, in Wirklichkeit äußerst vernünftig sind. Sie finden, dass eine Million und Zehntausend besser sind als nur eine Million. Und hier bei uns im Süden zahlt der den besten Preis, der zuletzt zahlt. Die Chasaren kontrollieren den Süden, wenn Gumiljow nicht gelogen hat, seit über tausend Jahren, sie sind also keine Dummköpfe. Und mit gewöhnlicher, geradliniger Spießermoral hält man ein solches Reich keine hundert Jahre zusammen. Wir haben einander von ihnen abgekauft, sie haben kassiert, und wer von uns den anderen schneller erledigt, das ist unsere Privatsache, das geht sie nichts an. Sie müssen zugeben, das ist fair, sie sind auf ihre Weise anständige Leute.«
    »Das ist fair«, wiederholte Jegor mechanisch.
    »Und nun erzähle ich Ihnen, warum ich mich freue, Sie zu sehen. Darf ich?«, fragte Mamajew.
    »Bitte«, antwortete Jegor, den nicht nur der Mut, sondern jede Hoffnung verließ.
    »Wir kennen uns nämlich«, sagte der Regisseur hart, mit Metall und Glas klappernd. »Aber Sie erinnern sich nicht. Woher auch! Das ist so lange her, und wer war ich damals schon, dass Sie sich an mich erinnern sollten! 1982. Wohnheim des Plechanow-Instituts. Zimmer. Ein Besäufnis zum Gedenken an John Lennon. Sie erinnern sich nicht? Dabei haben Sie da geglänzt. Ein Intellektueller, ein Dichter. Ginsberg-Gedichte auswendig, Aufsätze von Timothy Leary fast im Wortlaut, lange Haare, die Taschen voller Gras. Hübsche Mädchen waren da. Die hingen an Ihren Lippen, als wären Sie ein Bodhisattva. Sie erinnern sich nicht. Sie hatten viele, viele solche Abende. Und da war ich, der kleine Provinz-Blödmann von der Buchhaltungsfakultät. Eine Stella war da, Philologin von der Moskauer Uni, die war... der kann Ihre Plaksa nicht das Wasser ... Sie müssen schon entschuldigen. Die hat Sie angehimmelt wie einen Gott. Und Sie haben auf sie herabgesehen, als wäre sie eine Ratte von der Textilfachschule. Sie erinnern sich nicht? Und plötzlich wendet sie sich an mich, fragt mich ... Ich hatte sie schon ein ganzes Jahr angehimmelt, hatte hin und her überlegt, wie ich sie ansprechen könnte, dauernd versucht, sie auf mich aufmerksam zu machen, mich in ihre Kreise geschummelt, genau wie an jenem Abend. Und nun sah sie mich an, und nicht nur das, sie nahm mich wahr und fragte mich etwas. >Was meinen Sie? Wie heißen Sie?< - >Albert<, antwortete ich, >Alik.< - >Was meinen Sie, Alik, verstellen Metaphern wirklich, wie Jegor behauptet, den geistigen Blick, und sind in diesem Sinne japanische Gedichte, weil sie ohne

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