Nahkampf der Giganten
ruhig an den Landungssteg glitt, wo es unverzüglich an den großen rostigen Eisenringen festmachte.
Bolitho schlug den Mantel um sich, trat vorsichtig auf die glatten Stufen, blieb einen Moment stehen und überblickte den voller Schiffe liegenden Hafen von St. Clar. Es war Abend, und in dem purpurnen Dämmerlicht wirkten sie friedlich, beinahe heiter mit ihren blinkenden Laternen und den wegen der feuchten Hitze des Tages offenen, von innen schwach erhellten Stückpforten. Das Flaggschiff, die
Tenacious,
ankerte in der Mitte; Schnüre mit bunten Laternen waren längs der Kampanje gespannt, und von dem alten Steg aus konnte Bolitho eines jener melancholischen Lieder hören, die alle Seeleute der Welt lieben.
Wenn er sich so umsah, ließ sich schwer glauben, daß so viel passiert war, daß die
Hyperion
erst im Morgengrauen desselben Tages an der noch schwelenden
Saphir
vorbeigesegelt war, um den Hafen zu übernehmen. Er rückte seinen verwundeten Arm unter dem Mantel zurecht, und ein stechender Schmerz durchfuhr ihn. Wieder durchlebte er die scheußlichen Minuten, als Rowlstone ihm den Rock- und Hemdärmel aufgeschnitten, die klaffende Wunde freigelegt und von Blut und Stoffetzen gereinigt hatte, wobei das Blut von neuem aus dem tiefen Schnitt zu strömen begann. Er hatte die Zähne zusammengebissen, zögernd einen Finger nach dem anderen bewegt und Gott dafür gedankt, daß der Arzt den Arm nicht zu amputieren brauchte.
Jetzt stieg Herrick aus dem Boot, blieb neben ihm stehen und sagte: »Kaum zu glauben, daß wir in Frankreich sind, Sir. Diese Schiffe sehen aus, als ob sie seit langem hierher gehörten.«
Das stimmte. In den wenigen Stunden seit der Ankunft von Pomfrets Geschwader waren die Transporter entladen worden; dankbar, der Enge des Schiffes entronnen zu sein, hatten sich die Soldaten im hellen Sonnenlicht formiert, waren dann durch das Städtchen auf die Berge zu marschiert und hatten auch längs der Küstenstraße Stellungen bezogen. Außer Oberst Cobbans Infanterie und einer kleinen Abteilung leichter Artillerie waren noch tausend Mann spanische Fußtruppen und sogar Kavallerie mitgekommen, eine prächtige, stolze Schwadron in hellgelben Uniformröcken. Auf ihren herrlichen Pferden waren sie durch die engen Gassen getrabt, fasziniert und ehrfurchtsvoll von den Bürgern angestarrt und von den Kindern bejubelt.
Aber jetzt lag das Städtchen wie tot da, denn sobald die gelandeten Truppen von den Straßen verschwunden waren, hatte Pomfret Ausgangssperre verhängt. Die engen Gassen, die Brücke über den Fluß wurden von britischen Marine-Infanteristen bewacht, und ständig sorgten Patrouillen dafür, daß Pomfrets Anordnungen eingehalten wurden.
Die Sperre vor dem Hafen war nicht erneuert worden, aber ein halbes Dutzend Wachboote fuhren regelmäßige Patrouillen. Die verkohlte Hulk der
Saphir
mochte jedermann daran erinnern, wie teuer Sorglosigkeit und Vertrauensseligkeit zu stehen kamen.
»Fahren Sie zum Schiff zurück, Allday«, sagte Bolitho. »Ich signalisiere, wenn ich das Boot brauche.«
Allday nahm Haltung an und faßte an den Hut. »Aye, aye, Captain.« Seine Stimme klang besorgt, aber Bolitho beruhigte ihn: »Ich glaube nicht, daß sich dieser Besuch lange hinziehen wird.«
Wäre der besorgte Allday bei dieser Unterredung dabeigewesen, hätte sie ihm noch mehr Kummer gemacht.
Der Admiral hatte Bolitho sehr kühl empfangen. Den Bericht über den Überfall und die Ereignisse, die dazu geführt hatten, hörte er sich wortlos an, ohne eine Miene zu verziehen.
Dann sagte er ärgerlich: »Sie nehmen sich zu viel heraus! Sie kannten meine Befehle, und doch haben Sie völlig nach eigenem Ermessen gehandelt!« Dabei war er aufgestanden und in der Kajüte auf und ab gegangen. »Es wäre durchaus möglich gewesen, daß die Franzosen ein doppeltes Spiel trieben. Diese angeblich glühende Loyalität für ihren toten König konnte ebensogut ein taktisches Manöver sein, um unsere Operationen zu verzögern.«
Bolitho hatte an Charlois gedacht und an seine verzweifelte Entschlossenheit, ihn zu warnen. »Charlois hat sein Leben dafür gelassen, Sir. Ich handelte, wie ich es für richtig hielt, um eine militärische Katastrophe mit großen Verlusten an Menschen und Material zu verhindern.«
Mißtrauisch blickte Pomfret ihn an. »Aber Sie sind als erster in den Hafen eingelaufen, Bolitho vor mir und dem Geschwader! Das kam Ihnen wohl sehr gelegen?«
Bolitho entgegnete: »Ich konnte nicht rechtzeitig
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