Nahkampf der Giganten
solchen Leuten ausfragen zu lassen.«
Plötzlich waren alle totenstill. Bolitho erwiderte gelassen: »Sehr bedauerlich, Colonel. Und noch bedauerlicher ist es, daß Sie, als Sie sich Ihren Dienstgrad kauften, sich nicht gleich die nötigen Manieren mitgekauft haben!«
Cobban wurde blutrot. Er sagte, und es klang, als ersticke er in seinem hohen Kragen: »Sie impertinenter Emporkömmling! Wie können Sie es wagen, so mit mir zu sprechen?«
Kühl unterbrach Pomfret: »Das reicht, meine Herren! Das reicht durchaus!« Er richtete die blassen Augen auf Bolitho. »Ich weiß, daß Duelle in Ihrer Familie nichts Ungewöhnliches sind, Captain Bolitho, aber unter meiner Flagge dulde ich sie nicht.«
Wütend murmelte Cobban: »Wie Sie meinen, Sir Edmund. Aber wenn es nach mir ginge…«
»Sie finden mich jederzeit bereit, Colonel, wenn Sie mir Gelegenheit geben«, sagte Bolitho. In seinem Kopf hämmerte es wie auf einem Amboß, und der Wein brannte ihm heiß im Magen. Aber ihm war jetzt alles gleichgültig. Pomfrets leise Bösartigkeit und Cobbans grobschlächtige Dummheit ließen ihn alle Vorsicht vergessen. Er sah in Herricks besorgtes, wachsames Gesicht und blickte dann überrascht hinunter, denn Pomfret legte ihm die Hand auf den Arm. »Ihre Wunde macht Ihnen sicher zu schaffen«, sagte er.
»Ich will Ihnen deshalb den Ausbruch nicht übelnehmen.« Er seufzte, als sei das alles nicht so wichtig. »Sie gehen morgen wieder in See, Bolitho. Zurück nach Cozar.« Abwesend schaute er in den Saal. »Sie können der Garnison meine Depeschen bringen, und wenn Sie zurückkommen, nehmen Sie Miss Seton mit.« Er wurde beinahe vertraulich und jovial. »Wir werden den Leuten hier schon zeigen, daß wir zu bleiben gedenken. Vielleicht gebe ich sogar eine Art Empfang für sie, eh?«
Cobban hatte sich ein wenig beruhigt. »Und die Hochzeit, Sir Edmund? Werden Sie sie in St. Clar feiern?«
Pomfret, die Augen noch auf Bolithos ernstes Gesicht gerichtet, nickte. »Ja. Als Zeichen unseres Vertrauens in die Zukunft.« Er lächelte. »Das Pünktchen auf dem i, genau im richtigen Augenblick.«
Bolitho schwamm der Kopf. Pomfret machte sich über ihn lustig, das war offensichtlich. Und die
Hyperion
wurde schon wieder hinausbeordert. Dieses Schiff kam anscheinend nie zur Ruhe. Bekam nie Zeit, sich zu erholen und seine Wunden zu heilen.
Möglichst beiläufig erwiderte er: »Mit einer Fregatte ginge es schneller, Sir.«
»Ich möchte aber, daß
Sie
segeln, Bolitho. Dabei können Sie sich gleich ein bißchen erholen. Und inzwischen werden wir versuchen, diesen Krieg so zu führen, daß auch Sie damit zufrieden sind.«
»Ist das alles, Sir?«
Der Admiral dachte ein paar Sekunden nach. »Im Moment, ja.« Ein Lakai präsentierte Pomfret ein Tablett mit Gläsern, aber er winkte ab und sagte abschließend: »Wollen Sie mich jetzt entschuldigen, Bolitho?« Unvermittelt wandte er sich um und ging auf die geschwungene Treppe zu.
»Ich werde Ihre Worte von vorhin nicht vergessen, Captain! Sie werden Ihnen noch leid tun, seien Sie sicher«, knurrte Cobban.
»Wollen wir wieder an Bord zurück?« fragte Bolitho und ging mit Herrick zur Tür, ohne Cobban eines Blickes zu würdigen.
Herrick folgte ihm verwirrt. Ihm schwirrte immer noch der Kopf von diesen nur mühsam kaschierten Beleidigungen. Es trieb ihn, den hier versammelten Offizieren laut und deutlich auseinanderzusetzen, was Bolitho für sie getan hatte und was jeder einzelne ihm verdankte. Draußen tat Bolitho einen tiefen Atemzug und starrte zu den blinkenden Sternen empor. Sein Gesicht war entspannt, aber er sah merkwürdig traurig aus.
Herrick bemerkte leise: »Der Admiral hat ein zweites Glas Wein abgelehnt, Sir. Ich begreife das nicht. An Bord der
Phalarope
hat er ziemlich viel getrunken.«
Bolitho hörte ihn gar nicht. Er dachte an Cheney Seton. Diesmal würde es noch schwerer sein, sie als Passagier an Bord zu haben. Wenn die
Hyperion
hier wieder Anker warf, würde Cheney heiraten.
Er hakte seinen Degen ein und sagte abwesend: »Wir werden, bevor wir an Bord gehen, mit Monsieur Labouret ein Glas Wein trinken. Ich habe einen üblen Geschmack im Mund.« Ohne ein weiteres Wort schritt er durch die Tore und hinunter zum Hafen.
»Laß fallen Anker!« Herricks Stimme hallte über die ganze Bucht. Er senkte das Sprachrohr, der Anker klatschte ins Wasser, kleine Wellen breiteten sich in Kreisen aus und verliefen zu den Klippen hin. Die Vormittagswache hatte kaum begonnen, doch nach der
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