Nahkampf der Giganten
Lebensabends erfreut, weit weg von den Sorgen eines Flottenkommandeurs.
Ohne Pause sprach Hood weiter: »Ich weiß über Sie Bescheid. Was Sie damals bei den Saintes gemacht haben, war großartig.« Er seufzte. »Ich wünschte, ich hätte die
Barfleur,
mein altes Flaggschiff, aber sie steht unter Lord Howe bei der Kanalflotte.« Er stemmte sich hoch und schritt schwerfällig durch die Kajüte. »Sie haben die Geheimdienstberichte gelesen, nehme ich an«, sagte er über die Schulter. Ohne eine Antwort abzuwarten, schritt er weiter. Er konnte voraussetzen, daß sich jeder Kommandant, der zu seiner Flotte stieß, vorher mit allen verfügbaren Informationen versorgt hatte – wenn er Kommandant bleiben wollte. »Dort drüben in Toulon liegen zwanzig französische Linienschiffe. Ich werde dafür sorgen, daß sie so lange nicht herauskommen, bis ich mich entschlossen habe, was als nächstes zu tun ist.«
Bolitho verarbeitete diese Information. Das britische Geschwader, das ständig vor der französischen Küste patrouillierte, wurde immer größer; daher wären die Franzosen verrückt gewesen, wenn sie ihre Schiffe in Toulon bei Ein- oder Auslaufversuchen exponiert hätten.
Und für Marseille galt das gleiche. Scharf sprach Hood weiter: »In einer Woche etwa habe ich einundzwanzig Schiffe unter meiner Flagge, und dann werde ich wissen, was ich tue. Comte Trogoff befehligt die französischen Schiffe in Toulon, und unsere Agenten dort haben bereits gemeldet, daß er zu Verhandlungen neigt. Wie viele in Toulon ist er königstreu gesinnt. Aber seine Lage wird gefährlich. Wenn er nicht der Unterstützung durch seine Landsleute absolut sicher sein kann, wird er uns nie gestatten, Soldaten zu landen und den Hafen zu besetzen.«
Nachdenklich erwiderte Bolitho: »Meiner Meinung nach hat er nicht mehr viel Zeit, sich zu entscheiden, Sir.«
Lord Hood zog eine Grimasse, die bei ihm ein Lächeln bedeutete.
»Bei Gott, da haben Sie recht! Es liegen Berichte vor, daß der französische General Carteau bereits auf dem Marsch nach Süden ist. Hoffentlich weiß auch Trogoff davon, denn so oder so dürften seine Tage gezählt sein, wenn wir ihm nicht helfen.« Er fuhr sich mit der Hand quer über die Kehle. »Er dürfte nicht der erste französische Admiral sein, der aufs Schafott steigt. Nicht einmal einer vom ersten Dutzend!«
Bolitho versuchte, sich in die Lage des unglücklichen Admirals zu versetzen. Der mußte tatsächlich eine schwierige Entscheidung treffen.
Bolitho spürte, wie das mächtige Hundert-Kanonen-Flaggschiff jenseits der geschlossenen Tür vor Leben wimmelte, konnte das Knarren der Spieren und Blöcke, die dumpfen Befehle hören. Und drüben, auf seinem eigenen Schiff, warteten Quarme und die anderen gespannt, wie es weitergehen würde. Querpfeifen schrillten vom Oberdeck, er hörte Getrappel und Kommandos. Zweifellos kam noch ein Kommandant an Bord, von einem der achteraus liegenden Schiffe.
Gelassen fuhr der Admiral fort: »In dieser Situation kommt es darauf an, daß wir einen vertrauenerweckenden Beweis unserer Stärke liefern. Und das darf auf keinen Fall schiefgehen, besonders in diesem frühen Stadium nicht.« Er blickte Bolitho bedeutsam an.
»Haben Sie schon von der Insel Cozar gehört?«
»Äh – jawohl, Sir.« Er sah die Ungeduld in Hoods Augen aufblitzen und fuhr rasch fort: »Wir haben sie in der Nacht zum Sechsten passiert.«
»Und das ist alles, was Sie von Cozar wissen, nehme ich an?«
»Sie liegt vor der französischen Küste, Sir, gehört aber zu Spanien.«
»Na, das ist schon besser«, entgegnete der Admiral trocken. »Die Dinge liegen so, daß der hingerichtete König Louis den Spaniern die Insel gegen bestimmte Konzessionen in der Karibischen See überlassen hat. Cozar liegt etwa 125 Meilen westsüdwestlich von dem Stuhl, auf dem Sie jetzt sitzen. Ein elendes, sonnengedörrtes Stück Land, das die Spanier bis vor kurzem als Strafkolonie benutzten. Mit ihrer gewohnten Verachtung für Menschenleben haben sie erkannt, daß nur Skorpione und Sträflinge dort existieren können.« Unbeweglich stand Hood da und blickte auf Bolitho hinab.
»Aber Cozar hat einen wesentlichen Vorzug«, fuhr er fort. »Nämlich einen großartigen natürlichen Hafen – und sonst überhaupt keine Ankergründe. An jedem Ende ist ein Kastell, und eine gutplazierte Batterie könnte eine ganze Flotte beliebig lange in Schach halten.«
Bolitho nickte. »So dicht vor der französischen Küste gelegen, ließe sich die
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