Nahkampf der Giganten
so klar, daß er die kleinen Fische über ihren eigenen Schatten auf dem harten Sandgrund des Ankerplatzes hin und her schießen sah. Was sollte er tun?
Was konnte
er tun? Drei Wochen wartete er jetzt darauf, daß die
Chanticleer
von der Flottenbasis zurückkehrte und Hilfe brachte. Er hatte einen ausführlichen Bericht für Lord Hood geschrieben und erwartet, daß ein Versorgungsschiff schon nach wenigen Tagen eintreffen würde. Aber zwei Wochen lang hatte sich überhaupt nichts am Horizont gezeigt. Zu Anfang der dritten Woche hatte der Ausguck auf der Festung eine französische Fregatte von Nordwesten geme ldet. Etwa eine Stunde lang hatte das feindliche Segel wie eine Feder über der Kimm gestanden, war dann aber verschwunden. Ja, dachte er wütend, die Franzosen konnten warten. Ein paar Tage nach dem Angriff der
Hyperion
wäre ein Versorgungsschiff für die Garnison fällig gewesen. Jetzt enthielt die flache Zisterne nur Staub, und in der gnadenlosen Sonne lagen die britischen Matrosen wie tot herum und hatten nur eine Pinte am Tag, um den quälenden Durst zu stillen.
Es würde noch mehr Auspeitschungen geben, dachte er trübsinnig, stieß sich vom Fensterbrett ab und trat zum Seitenfenster. Weit hinten in der kleinen Bucht sah er die
Princesa
reglos wie ein geschnitztes Modell über ihrem eigenen Schatten liegen. Vielleicht, so überlegte er, hatte er ihretwegen und nicht zum Schutz vor einem Angriff von See her befohlen, daß die
Hyperion
am entgegengesetzten Ende der Bucht ankerte. Von dem Moment an, als die
Princesa
festgemacht hatte, war es zwischen den britischen und den spanischen Matrosen zu Reibereien, einige Male sogar zu offenen Prügeleien gekommen.
Nach der ersten Woche fruchtlosen Wartens hatte ihn der spanische Kapitän an Bord besucht und war ohne Umschweife zur Sache gekommen: Auf der Insel befanden sich fast hundert französische Gefangene. Hundert zusätzliche Bäuche, die mit Nahrung und Frischwasser gefüllt werden mußten.
»Wir müssen sie liquidieren«, hatte
Capitano
Latorre eindringlich gesagt. »Sie sind nutzlos für uns!« Sein Blutdurst war ein we iterer Grund für Bolithos Entscheidung, die Kontrolle über die Hauptfestung selbst in der Hand zu behalten. Ashbys Seesoldaten hausten dort; die spanischen Soldaten von der
Princesa
mußten sich mit dem alten maurischen Fort am anderen Ende der Insel begnügen.
Latorre war wütend gewesen, sowohl über Bolithos Weigerung, die Gefangenen abzuschlachten, als auch über seine ebenso entschiedene Absage, die spanische Flagge über der Batterie wehen zu lassen.
Der Zahlmeister unterbrach sein Grübeln. »Diese Spanier haben Wasser genug, Sir, bestimmt.« Er zog eine wütende Grimasse.
»Hol sie der Teufel!«
Bolitho blickte ihn gelassen an. »Vielleicht, Mr. Whiting, haben Sie recht. Aber läge die
Hyperion
nicht hier mit ausgefahrenen Geschützen, dann wäre der tapfere
Capitano
Latorre wohl längst weg. Würde ich fordern, daß er mich seine Vorräte inspizieren läßt, so gäbe das eine Katastrophe. Und wir sollen ja, wie ich mich dunkel erinnere, bei dieser Aktion Verbündete sein.«
Aber der Zahlmeister hatte keinen Sinn für Ironie. »Dons oder
Frogs –
trauen kann man beiden nicht!«
Das Gespräch wurde unterbrochen, als Quarmes Kopf in der Türöffnung erschien.
»Ja, Mr. Quarme?« Bolitho hörte Whiting erleichtert aufseufzen, weil damit die Last von seinen fetten Schultern genommen war.
Quarme sah erschöpft aus. »Signal von der Batterie, Sir. Die französische Fregatte ist wieder in Nordwest gesichtet worden – Gott weiß, was sie als Wind benutzt!« Er trocknete sich das Gesicht. »Ich wünschte beim Himmel, auch wir wären da draußen!«
Bolitho nickte dem Zahlmeister zu. »Machen Sie weiter, Mr. Whiting. Aber sorgen Sie dafür, daß die Wasserfässer rund um die Uhr bewacht werden!« Als sich die Tür hinter Whiting geschlossen hatte, fuhr er fort: »Diese Fregatte wird ein Auge auf unsere Masttopps halten oder auf die Flagge über der Batterie.«
Quarme hob die Schultern. »Zeitverschwendung. Selbst mit As hbys wenigen Leuten könnten wir die Insel gegen eine ganze Flotte halten!«
Bolitho warf ihm einen scharfen Blick zu. Merkwürdig, daß der Mann so wenig Phantasie hatte. »Damit keinerlei Zweifel aufkommt, Mr. Quarme: wenn wir nicht innerhalb einer Woche Wasser bekommen, müssen wir die Insel aufgeben!« Wütend wandte er sich ab. »Die Franzosen wissen, wie es mit unserem Wasser steht, ebenso wie sie wissen
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