Nahkampf der Giganten
und ihre Jolle in das schwarze, wogende Wasser abgefiert hatte. Zwei Stunden Warten und Grübeln, während die
Hyperion
kaum zwei Meilen vor dem großen Festlandkeil langsam patrouillierte. Bald würde es heller werden. Er starrte durch das schwarze Liniengewirr der Takelage zu den hellen, unbewegt funkelnden Sternen auf, und es kam ihm vor, als stünden manche nur ein paar Fuß über dem langsam kreisenden Besantopp. In ihrem bleichen Glanz standen die Segel ge isterhaft weiß und verletzlich vor dem nachtschwarzen Himmel. Die ablandige Brise hielt sich und wirkte nach der Tageshitze eiskalt. Obwohl das Schiff gefechtsklar war, ruhten die meisten Geschützbedienungen neben ihren Kanonen, noch völlig erschöpft von dem anstrengenden Verholen aus der Einfahrt von Cozar. Sie hatten sich an den Riemen abgelöst, als die Boote das Schiff wie Zugochsen von seinem Liegeplatz weggeschleppt hatten, und nun waren ihre Hände wund und voller Schwielen. Einmal hatte es ausgesehen, als wolle die
Hyperion
auf den Bänken vor dem Hafenbecken stranden, und nur mit äußerster Anstrengung, unter den Schlägen und Flüchen der Deckoffiziere, konnten die Männer sie freiholen. Aber selbst das war noch nicht genug. Die erschöpften, keuchenden Matrosen hatten hoffnungsvoll nach achtern gestarrt, ob die Segel nicht ein Zeichen von Leben verrieten. Doch die Leinwand hing wie zum Hohn schlapp von den Rahen, als gäbe es überhaupt keinen Wind auf der Welt.
Sonnengedörrte, erschöpfte Männer waren schon unter günstigen Umständen kaum eine geeignete Schleppmannschaft für die schwere
Hyperion.
Ihre etwa sechzehnhundert Tonnen schienen mit den winzigen Booten, die an ihrem mächtigen Bug zerrten, zu spielen wie ein Junge, der ein paar Maikäfer am Faden hat. Und dann, als schon einer der Kutter zurückgefallen war, weil die Ruderer auf die Schläge und Drohungen des verzwe ifelten Midshipman einfach nicht mehr reagierten, war die Leinwand plötzlich ins Zittern geraten; müde und ungläubig hatten die Männer auf die Segel und das wie von Katzenpfoten gekräuselte, plötzlich lebendig gewordene Wasser gestarrt. Als es Abend und Nacht wurde, fand das Schiff allmählich seine Kraft wieder, und ein auffrischender Nordwest führte es vorwärts und um die ferne Küstenlinie herum.
Sobald es völlig Nacht geworden war, hatten sie Segel gekürzt und waren immer näher an diesen mächtigen Block tieferer Finsternis herangekreuzt, hinter dem der geschützte Hafen von St. Clar lag.
Jetzt wartete er dort vorn, wie verloren unter den Sternen und vor dem welligen Bergland dahinter. Es gab weder Hafenlichter noch Leuchtfeuer, und mehr als einmal hatte ein nervöser Ausguck ein kleines Fahrzeug auf Gegenkurs gemeldet; aber es waren immer nur irgendwelche dunklere Schatten in der Strömung gewesen, die ihn getäuscht hatten – eine schlimme Nervenprobe für ihn und die ganze Mannschaft.
Bolitho stützte die Hände auf die Reling und blickte starr in die Dunkelheit. Er konnte es nicht lassen, immer wieder darüber nachzudenken, was er getan hatte; und während die Minuten vergingen, kam zu seiner inneren Unsicherheit noch die wachsende verzwe ifelte Spannung hinzu.
Er hatte Leutnant Charlois gestattet, in der Jolle an Land zu gehen und mit seinen Freunden in St. Clar Kontakt aufzunehmen. Die Erfolgschancen dieses skizzenhaften Planes waren von vornherein gering, und Bolitho quälte sich mit Zweifeln und Erwägungen darüber, was er noch hätte tun können, um ihm wenigstens etwas mehr Aussichten zu geben. Es war kein Trost, daß er noch alle französischen Gefangenen an Bord hatte. Ohne Wasser konnte er sich ebensogut der Garnison von St. Clar ergeben oder sein Schiff vor der Küste versenken.
Er dachte auch an Leutnant Inchs aufgeregtes Pferdegesicht, als er ihm den Befehl über die kleine Besatzung der Jolle erteilt hatte. Inch war ein sehr diensteifriger und mutiger Offizier, aber in solchen Dingen fehlte ihm jede Erfahrung; und Bolitho wußte, daß er ihn im Grunde nur deshalb abkommandiert hatte, weil er der jüngste Leutnant und daher am entbehrlichsten war, wenn Charlois sich für Verrat statt für Unterhandlungen entscheiden sollte.
Plötzlich fiel ihm Midshipman Seton ein. Merkwü rdig, daß dieser sich freiwillig gemeldet hatte, Inch zu begleiten, und noch merkwürdiger, daß Bolitho irgend etwas fehlte, weil Seton nicht an Bord war. Aber wenn der Junge auch furchtbar stotterte – etwas konnte er besser als jeder andere an Bord: er
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