Nahkampf der Giganten
beinahe verstört er aussah. »Sind Sie gesund, Captain?« fragte Allday besorgt.
Müde sank Bolitho auf die Fensterbank und starrte seinen Degen an. »Diesmal ist es nicht das Fieber, Allday«, seufzte er.
Der Bootsführer nickte. »Das kommt alles wieder klar, Captain.«
Ärgerlich fuhr er herum, als draußen vor der Tür Schritte erklangen. »Soll ich sie wegschicken?«
»Nein, Allday«, erwiderte Bolitho mit einem raschen Blick voller Zuneigung; »wenn alles wieder klarkommen soll, wie Sie prophezeien, dann müssen wir jetzt ein bißchen was dafür tun.«
Flotten Schrittes trat Midshipman Piper in Bolithos Kajüte, blieb aber stehen, als er seinen Kommandanten nachdenklich durch die großen Heckfenster starren sah.
»Mr. Rooke meldet mit Respekt, Sir, daß der Ausguck soeben Cozar in Lee voraus gesichtet hat.« Hoffnungsvoll glitten seine Augen zu einem unberührten Teller mit Essen, der auf dem Tisch stand.
Bolitho wandte sich nicht um. »Danke.« Halb im Selbstgespräch fuhr er fort: »Wenn alles klappt, laufen wir also in etwa drei Stunden ein.«
Überrascht von diesem Vertrauensausbruch, nickte Piper gravitätisch. »Aye, Sir, Bramsegel und Royals ziehen großartig, da werden wir keine Schwierigkeiten haben.«
Bolitho wandte sich um und sah ihn blicklos an. »Sie können etwas für mich tun, Mr. Piper.« Was der Junge eben gesagt hatte, war gar nicht bis in sein Bewußtsein gedrungen. »Bestellen Sie Mr. Quarme, er soll sofort zu mir kommen.«
»Aye, aye, Sir.« Piper eilte hinweg und überlegte sich, wie er diese vertrauliche Unterhaltung mit dem Kommandanten den weniger informierten Bewohnern des Midshipman-Logis schildern wü rde.
Bolitho ließ sich wieder auf die Sitzbank fallen und starrte fast angeekelt auf das unberührte Mahl. Er hatte Hunger, gewiß, aber beim bloßen Gedanken an Essen wurde ihm regelrecht übel. Merkwürdig, daß er, obwohl alles so planmäßig gelaufen war, weder Freude noch Befriedigung empfinden konnte. In der frischen nordwestlichen Brise pflügte das Schiff wie neubelebt durch die weißköpfige See, und selbst das harte Sonnenlicht war nicht mehr so drohend und gefahrverkündend. Alle Segel standen, alle Wanten und Stage summten wie die Saiten eines gut gestimmten Instruments; es war, als freue die
Hyperion
sich selbst über ihre neue Vitalität. Und noch anderes war an Bord zu hören, das ihm eigentlich sein Selbstvertrauen hätte zurückgeben müssen: die Leute sangen oder tauschten Zurufe bei der Arbeit aus, denn sie hatten keine unmittelbaren Sorgen mehr – Trinkwasser war reichlich vorhanden, und Durst, der Schrecken des Matrosen, war nur noch eine fernliegende Drohung wie andere Mißgeschicke auch.
Bolitho starrte auf das schäumende Kielwasser und das Dutzend kreisender Möwen, die dem Schiff folgten, seit es von St. Clar ausgelaufen war. Sogar jetzt noch konnte er nur schwer glauben, was geschehen war: die geheimnisvollen Boote, die fremdartigen französischen Stimmen in der Dunkelheit; der aufgeregte Inch, das Gespräch mit
lieutenant
Charlois und dem Bürgermeister von St. Clar. Letzterer war ein kleiner, ledergesichtiger Mann im Samtrock gewesen, lebhaft, mit raschen Gesten und entwaffnendem Lachen. Während die Mannschaft eifrig die Trinkwasserbehälter an Bord hievte, hatte Bürgermeister Labouret Charlois’ Angaben vollauf bestätigt: Die Leute von St. Clar liebten die Engländer nicht; aber sie kannten sie auch nicht. Die Revolution dagegen kannten sie und wußten, was in ihrem Namen bisher geschehen war und was noch geschehen würde, wenn es so weiterging.
Bolitho hatte fast ohne Unterbrechung zugehört. Im Geist sah er die Revolution mit neuen Augen und empfand dabei das gleiche unbehagliche Gefühl wie damals, als seine Männer an Bord der Fregatte
Phalarope
gemeutert hatten. Diese Meuterei hatte ihre Ursachen in den Handlungen anderer gehabt und war ausgebrochen trotz aller seiner Bemühungen, sie zu verhindern und alte Fehler wieder gutzumachen. Doch als sie kam, war sie ebenso schnell und schrecklich, als hätte er sie selbst provoziert. Und als er den beiden Franzosen zuhörte, hatte er tiefes Mitgefühl empfunden. Für sie mochte St. dar der Mittelpunkt der Welt sein, aber er wußte, daß ihre Sache bereits verloren war.
»Ich habe mein Wort gehalten,
Capitaine
«
,
hatte Charlois geschlossen. »Sie bekamen Wasser und die Besatzung der
Fairfax.
«
Dabei hatte er etwas verlegen gelächelt. »Die Schaluppe selbst mußten wir einstweilen
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