Nahkampf der Giganten
bis zur Überheblichkeit verändern konnte. Er sagte nur: »Dann werde ich sofort Anker lichten, Sir.« Noch in der Tür hörte er Pomfret ihm nachrufen: »Sie haben meine Befehle jederzeit
wortgetreu
auszuführen!«
Kapitän Dash erwartete Bolitho bei der Fallreepspforte, eine Menge Fragen im Gesicht. »Na, Bolitho, ist er der Mann, an den Sie sich erinnerten?«
Bolitho starrte zu den schlanken Masten der
Hyperion
hinüber.
»Genau der.« Und mit einem Blick nach unten zu der wartenden Gig: »Ich glaube, wir haben eine interessante Zeit vor uns.«
Eine knappe Stunde nach der kurzen Besprechung bei Konteradmiral Pomfret hatte die
Hyperion
bereits Anker gelichtet, und ihr Bugspriet strebte wieder der fernen, lockenden Kimm zu. Die Besatzung mußte glauben, ein Fluch laste auf dem Schiff, es sei dazu verdammt, ewig zu segeln, bis die Planken verrotteten und die Männer ins Meer fielen. Daß auf einmal so viele Schiffe vor Cozar lagen und sogar Infanterie auf der Insel war, hatte großes Interesse erregt: die Matrosen der
Hyperion
waren sogar irgendwie stolz darauf gewesen, als hätten sie dadurch, daß sie allein nach St. Clar gesegelt waren und tollkühn dicht am Feind geankert hatten, diese ganze Operation in Gang gesetzt.
Als jedoch »Klar zum Ankerlichten« gepfiffen wurde und Ashbys Marine-Infanteristen betrübt von der Festung wieder an Bord stampften, fiel die aufgeflammte Begeisterung in sich zusammen und verwandelte sich in Verwirrung und Enttäuschung.
Doch wenigstens brauchten die Offiziere der
Hyperion
nicht ständig neue Tricks zu erfinden, um die Mannschaft auf der Rückreise nach Gibraltar zu beschäftigen. Trotz des klaren Himmels frischte der Wind erheblich auf, sobald sie Cozar zurückgelassen hatten. Während das alte Schiff stampfend seinen Weg nach Südsüdwest nahm und die Südküste von Spanien umrundete, lag es manchmal so hoch am Wind, daß es ihn fast von vorn hatte und mühsam gegenan kreuzen mußte. Tag um Tag ging es so, ohne Atempause. Kaum waren die Männer von den Masten herunter und zu einer kurzen Rast im Logis, da gellte schon wieder der Ruf: »Alle Mann an Deck!« und »Aufentern zum Segelkürzen!«
Nicht daß es unter Deck viel Erholung gab. Die Stückpforten waren wegen des peitschenden Spritzwassers abgedichtet, und der Gestank nach Bilgewasser und hastig geschmortem Essen konnte aus dem engen Logis nicht abziehen. Die
Hyperion
wurde mit dem kurzen, knüppeligen Seegang schlecht fertig. Das monotone Quietschen der Lenzpumpen tönte so regelmäßig und unaufhörlich durchs Schiff, daß man es gar nicht mehr bemerkte, bis es beim Wachwechsel auf kurze Zeit verstummte.
Am Morgen des zehnten Tages lief das Schiff dankbar in die Reede unterhalb des Felsens von Gibraltar ein; die Mannschaft war zu erschöpft und niedergeschlagen, um sich über Reisezweck oder Zukunft Gedanken zu machen.
Reglos saß Bolitho in der Kajüte. Die feucht an ihm klebende Kleidung widerte ihn an, aber er war zu müde, um aufzustehen. Ihm war, als sei er während der ganzen Reise nie länger als fünf Minuten unter Deck gewesen, und in der eleganten Kajüte fühlte er sich deplatziert und schmutzig. Die vier Leutnants, die das Schiff noch besaß, waren diensteifrig genug gewesen, aber ihnen fehlte jede Erfahrung mit schwierigem Wetter. Bolitho war überzeugter denn je, daß Kapitän Turner die eigentliche Schiffsführung nie jemand anderem als Quarme oder Gossett anvertraut hatte; jetzt wurden die Resultate dieser Einseitigkeit schmerzhaft deutlich.
Rooke trat ein und meldete müde: »Signal von der Fregatte
Harvester,
Sir. Hat Depeschen für Sie.« Seine Stimme war tonlos vor Erschöpfung. Er schwankte, riß sich aber unter Bolithos prüfendem Blick zusammen. Stärker als seine Kameraden war er sich seiner Unzulänglichkeit bewußt, und diesmal konnte er keinem anderen die Schuld zuschieben.
Bolitho erhob sich mühsam aus dem Sessel und trat ans Heckfenster. Durch die salzverkrustete Scheibe konnte er die Fregatte vor Anker liegen sehen. Ihr roter Wimpel hob sich leuchtend gegen den Felsen ab. Ihm schien, als hätte sie sich seit damals, als er nach seiner Ankunft aus England von Bord gegangen war, überhaupt nicht vom Fleck gerührt. War es wirklich erst zwei Monate her? Ihm kam es so lange vor wie ein ganzes Leben.
Knapp zwei Kabellängen vor der Fregatte lagen die drei schweren Transporter und eine kleine, tänzelnde Achtzehner-Schaluppe. Wieder fielen ihm Pomfrets Befehle ein. Er hatte sie
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