Nahkampf der Giganten
dutzende Male durchgelesen, und sie waren ihm die ganze Zeit nicht aus dem Kopf gegangen, auch als er sein Schiff in die kreischende Hölle aus Wind und Gischt hineintrieb. Nun, alle an Bord würden sie bald genug zu hören bekommen, dachte er müde. Mit einem Mann wie Pomfret stellte man sich am besten von Anfang an auf den richtigen Fuß.
»Soll ich ein Boot hinüberschicken, Sir?« fragte Rooke.
»Nein.« Bolitho rieb sich mit den Fingerknöcheln die Augen.
»Signalisieren Sie der
Harvester
und der Schaluppe
Snipe
: Kommandanten sofort zu mir an Bord!‹«
Rooke war verunsichert. »Gehören die auch zu unserem Geschwader, Sir?«
»Ja, Mr. Rooke. Und das Geschwader fährt Geleit für die drei Transporter nach Cozar.«
Bei diesen Worten mußte er an Pomf ret und sein Flaggschiff denken. Der hätte das Geleit ebensogut selbst übernehmen können; wenn er eine Fregatte oder auch nur die
Chanticleer
nach Cozar vorausgeschickt hätte, wäre das Ungewisse Warten auf neue Befehle schnell vorbei gewesen. Aber Pomfret war mit seinen Begleitschiffen und einem ziemlich schnellen Transporter losgesegelt; an Bolithos Schwierigkeiten und seinen Mangel an Frischwasser hatte er überhaupt nicht gedacht – oder sie waren ihm gleichgültig gewesen.
Als er sich vom Fenster abwandte, war Rooke bereits draußen, und an der Tür stand Gimlett, zeigte grinsend seine Eichhörnchenzähne und rieb sich nervös-erwartungsvoll die Hände.
»Ein neues Hemd, Gimlett!« befahl Bolitho. »Und legen Sie mir gleich eine frische Uniform aus. Ich habe Besuche zu machen.« Er rieb sich das Kinn und fuhr fort: »Ich will mich waschen und rasieren, ehe die beiden Kommandanten an Bord kommen.«
Als Leach, der Kommandant der Fregatte, und Tudor, der Kommandant der
Snipe,
in seine Kajüte geführt wurden, war Bolitho wenigstens äußerlich so frisch und munter wie ein Mann, der seine Tage an Land in einem komfortablen Haus verbracht hatte. Er wartete, bis Gimlett seinen Besuchern Wein eingeschenkt hatte, und sagte dann: »Willkommen an Bord, meine Herren. Ich nehme an, Sie sind sofort segelfertig?«
Leach nickte. »Admiral Pomfret hat uns instruiert, bei den Transportern zu bleiben, nachdem der erste Geleitzug abgesegelt war. Wie es scheint, werden derartige Schiffe, wenn sie ungeschützt segeln, in den letzten Wochen regelmäßig angegriffen, und mir ist wohler, wenn Ihre
Hyperion
auf uns aufpaßt.« Er lehnte sich etwas bequemer zurück. »Freut mich übrigens, Sie wiederzusehen, Sir. Ich nehme an, der junge Seton ist seine Seekrankheit inzwischen los?«
Tudor, ein breitgesichtiger Leutnant, sprach jetzt zum erstenmal. Entweder hatten ihm der Wein oder Leachs offenbare Vertrautheit mit Bolitho Mut gemacht. »Ich weiß nicht, ob ich das richtig verstanden habe, Sir…« Die beiden blickten ihn an, und er fuhr leicht verwirrt fort: »Der Admiral hat befohlen, daß eines der für NeuHolland bestimmten Schiffe, die
Justice,
hierbleiben soll. Es ist mir klar, daß die beiden Vorratsschiffe für unser Geschwader lebenswichtig sind –«, er hob hilflos die Schultern –, »aber ein Sträflingsschiff sollte nicht unbewacht zurückbleiben.«
Bolitho blickte ihn ernst an. »Es bleibt auch nicht zurück.«
Gleichzeitig setzten sie ihre Gläser ab und blickten ihn einer wie der andere erschrocken an. »Die
Justice
«, fuhr Bolitho fort, »segelt mit uns nach Cozar.«
»Aber, Sir«, protestierte Leach, »das ist doch ein Sträflingsschiff! Herrgott, sie hat dreihundert Gefangene an Bord!«
»Das weiß ich.« Bolitho blickte auf den Tisch nieder, wo Pomfrets Order lag. Er konnte Leachs Verwirrung durchaus begreifen. Pomfret mußte Bellamy von der
Chanticleer
bis aufs Hemd ausgefragt haben, bevor er diese überraschende Entscheidung traf. Wie er in seiner Order geschrieben hatte: »… anscheinend ist ein Teil der Befestigungsanlagen auf Cozar in schlechtem Zustand und völlig unzureichend. Da keine anderen Arbeitskräfte für die Instandsetzung zur Verfügung stehen und mir Lord Hood volle Entsche idungsgewalt übertragen hat, beabsichtige ich, einen Teil des Sträflingstransports, nämlich die Belegschaft des Transports
Justice,
dazu zu verwenden, und unterstelle diese hiermit meinem Kommando.«
Wieder einmal hatte Pomfret ganz klar erkennen lassen, daß ihm der Verbrauch von Menschen weniger bedeutete als etwa der von Segeltuch oder Spieren.
»Darf er denn das?« fragte Leach eindringlich. »Ich meine – ist es legal?«
»Vielleicht gibt es ein
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