Nahkampf der Giganten
der Botany Bay vor Augen. Hunderte waren wegen aller möglichen Vergehen dorthin deportiert worden. Da die amerikanischen Kolonien nicht mehr zur Verfügung standen, hatte sich England entschlossen, seine unerwünschten Verbrecher auf die andere Seite der Welt zu schicken; dort mochten jene wenigen, die Not und unbekannte Krankheiten überlebten, für ihr Vaterland, das sie verstoßen hatte, neue Gebiete erschließen. Ob sie jemals erfahren würden, dachte er, was sie für ein Glück gehabt hatten, daß ihnen wenigstens Pomfret erspart geblieben war?
Wie im Selbstgespräch redete Pomfret weiter: »Ich habe es satt, bei solchem Geschmeiß von Ehre und Loyalität zu hören. Die lügen, betrügen und saufen doch nur und kümmern sich einen Dreck um anständige Seeoffiziere wie Sie und mich.«
Bolitho wußte nicht genau: meinte er Sträflinge oder Matrosen – oder machte er da keinen Unterschied? Er entgegnete: »Auf alle Fälle sind es Männer, Sir, und ich verachte keinen, nur weil er nicht dieselben Überzeugungen hat wie ich.«
Pomfret musterte ihn mit zusammengekniffenen Augen. »Dann sind Sie ein noch größerer Narr, als ich dachte.« Er beugte sich vor, um seinen Worten stärkeres Gewicht zu verleihen. »Sie befehligen keine Fregatte mehr, Bolitho. Unter meiner Aufsicht werden Sie lernen, Ihre Pflicht so zu tun, wie es sich für den Kommandanten eines Vierundsiebzigers gehört – verstanden?«
»Jawohl, Sir.« Bolitho blickte ihn unbewegt an. »Aber bisher war ich allein und handelte, wie ich es für richtig hielt. Wir haben die Männer der
Fairfax
wieder, und vielleicht auch bald die Schaluppe.«
Pomfret trocknete sich das Gesicht mit einem seidenen Tuch.
»Haben Sie auch die Offiziere der
Fairfax
!«
»Nein, Sir. Die Franzosen hatten sie bereits nach Norden transportiert, um sie eventuell auszutauschen.«
»Schade«, antwortete Pomfret mit einem abwesenden Nicken.
»Ich hätte die Dummköpfe vors Kriegsgericht gestellt, weil sie sich das Schiff mit einem so blöden Trick wegnehmen ließen. Aber im Moment habe ich andere Sorgen.« Er blätterte in einigen Papieren.
»Ich werde Lord Hood über die derzeitige Situation berichten, und inzwischen wollen wir auf dieser makabren Insel eine richtige Garnison aufbauen.« Herausfordernd blickte er in Bolithos ernstes Gesicht. »Sie sieht ja aus wie der nutzloseste Fleck der Erde!«
»Die Insel hat einen guten Hafen, Sir. Es gibt auch noch ein altes Dorf, wo früher die Sträflinge untergebracht waren. Aber das ist jetzt zerfallen. Die Festung haben Sie gesehen, und…«
Stirnrunzelnd unterbrach ihn Pomfret: »Sie können Ihre Seesoldaten wiederhaben. Die Armee übernimmt jetzt die Insel, unter meinem Kommando natürlich.«
Natürlich, dachte Bolitho wütend. »Und meine Segelorder, Sir?« Pomfret gähnte. »Fanshawe gibt sie Ihnen umgehend, sonst hol’ ihn der Teufel. Sie werden unverzüglich nach Gibraltar segeln und meine Anordnungen
wörtlich genau
ausführen!« Er ignorierte Bolithos überraschte Miene. »Ich befehligte einen Konvoi von Sträflingstransportern, als das hier losging. Sie werden ihn herbringen.«
»Aber was wird aus St. Clar, Sir?« Es war Bolitho, als würde die Kajüte drückend eng.
»St. Clar steht immer noch, wenn Sie zurückkommen, Bolitho.« Es klang wie eine Zurechtweisung. »Lord Hood hat mir hier das Oberkommando übertragen und mir damit freie Hand gegeben, um aus diesem ziemlich unbefriedigenden Anfang einen vollen Erfolg zu machen!«
Steif stand Bolitho auf. »In Gibraltar – sind das Versorgungsschiffe, Sir?«
»Zum Teil. Aber das alles steht in Ihrer Order. Seien Sie unbedingt in Gibraltar, bevor der ganze Konvoi abgesegelt ist. Sonst wäre ich gar nicht erfreut, kann ich Ihnen versichern!« Und als Bolitho sich zum Gehen anschickte, fügte Pomfret noch hinzu: »Ich habe mich um dieses Kommando nicht beworben, Bolitho. Aber nun, da ich es habe, werde ich es auch erfolgreich zu Ende führen, und wer mir dabei Schwi erigkeiten macht, kriegt Ärger. So wahr mir Gott helfe!« Er hatte mit großer Entschiedenheit gesprochen, aber auf einmal schien er genug von diesem Gespräch zu haben.
»Anschließend werde ich Ihren Bericht lesen und sehen, was er taugt. Ich nehme an, Sie wollen Ersatz für Ihren toten Leutnant?«
»Jawohl, Sir.«
»Schön, sprechen Sie mit dem Flottenkommandanten in Gibraltar. Dazu haben Sie meine Erlaubnis.«
Bolitho verschluckte seine Erwiderung. Erstaunlich, wie die Beförderung einen Menschen
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