Nahkampf der Giganten
rangen und ängstlich auf die wenigen stehenden Segel starrten, während sich das Schiff krachend und rollend der Bö in die Zähne warf. Obgleich die
Hyperion
außer den gerefften Bramsegeln kein Tuch fuhr, war der Druck beträchtlich, und das Brausen der See ging unter im Inferno der knatternden Segel, dem dämonischen Geheul des Riggs und dem melancholischen Janken der Pumpen.
Herrick blickte kurz auf den schaukelnden Kompaß und sah, daß die
Hyperion
nach wie vor Kurs hielt, fast rechtweisend Nord. Wie lange würden sie sich wohl noch mit diesem Wetter herumschlagen müssen? überlegte er. Vor vier Tagen erst war das Geschwader von Cozar ausgelaufen, doch ihm kam es wie ein Monat vor. In den ersten beiden Tagen war es bei klarem Himmel und lebhaftem Nordwest ganz gut gegangen; unter Pomfrets ständigem Signalisieren waren die Schiffe so tief in den
Golfe du Lyon
eingedrungen, daß jede französische Patrouille denken müßte, sie wollten eher in Toulon zu Lord Hood stoßen, als ein Unternehmen auf eigene Faust starten. Dann jedoch, als der Wind ausschoß und auffrischte, als tiefhängende, schwarzbäuchige Wolken den Himmel bedeckten, waren Pomfrets Signale noch hektischer geworden, denn die schwerbeladenen Transporter konnten die befohlenen Stationen kaum halten, und die beiden Schaluppen tanzten wie Ruderboote in dem immer wütenderen Seegang.
Regen gab es auch noch, aber die See ging so hoch, daß die hart arbeitenden Matrosen kaum wußten, ob Gischt oder Regen sie bis auf die Haut durchweichte und wie mit Klauen nach den Füßen derer griff, die mit den nassen Segeln kämpften, um sie festzumachen, ehe sie wie Papier von den Rahen gerissen wurden.
Am dritten Tag gelangte Pomfret zu einer Entscheidung: Das Geschwader sollte nördlich von St. Clar beidrehen und den Sturm abwettern; die
Hyperion
jedoch sollte sich absetzen, auf Südkurs gehen und die Einfahrt des kleinen Hafens sperren, bis das ganze Geschwader einlief. Irgendwo im Norden der Einfahrt stampfte bereits die einsame Fregatte
Bat
in der hochgehenden See und bemühte sich, die andere Seite der Bucht zu blockieren.
Herrick stieß einen wütenden Fluch aus, denn ein Gischtbrett fegte über die Finknetze, traf ihn ins Gesicht und lief ihm wie eisiger Rauhreif an Bauch und Beinen herab. Je mehr er an Pomfret dachte, um so wütender wurde er. Sobald Herrick versuchte, die Handlungsweise Pomfrets zu analysieren, kam er ihm vor wie damals an Bord der
Phalarope:
launisch, ausweichend, zu plötzlichen, blinden, unvernünftigen Wutanfällen neigend. Merkwürdig, daß man in der kleinen, klösterlich abgeschlossenen Welt der Kriegsmarine seine alten Feinde nie loswurde, dachte er. Die Freunde jedoch kamen und gingen; selten nur kreuzte man ihren Pfad ein zweites Mal.
In der vorigen Nacht, als die Matrosen wieder einmal aufgeentert waren, um Segel zu kürzen, hatte Herrick diese Gedanken Bolitho anvertraut. Doch der hatte weder über den Admiral noch über dessen Motive sprechen wollen; und Herrick fand denn auch, daß es unfair von ihm gewesen war, seine eigenen Zweifel auch nur zu erwähnen. Bolitho war ihm ein echter Freund und ein Mann, den er mehr als jeden anderen bewunderte, aber zuerst und vor allem war er Kommandant. Ein Kommandant, den die Last der Verantwo rtung einsam machte, und der weder Vorzüge noch Schwächen seiner Vorgesetzten mit Untergebenen diskutieren durfte, ganz gleich, was er selbst von ihnen hielt.
Aber Herrick blieb davon überzeugt, daß Pomfret, auch wenn er im Lauf der Jahre dazugelernt haben sollte, einen alten Groll nicht vergaß. Er blieb hart und rücksichtslos, Charakterzüge, die in der Marine ziemlich häufig vorkamen, doch darüber hinaus hegte er die felsenfeste Überzeugung, daß er immer recht hatte und nie etwas falsch machen konnte.
Auf der Reise von England her hatte Herrick gehört, daß Pomfrets künftiger Posten in Neu-Holland eher ein Strafkommando als eine Belohnung war. Der Gedanke hatte sicher etwas für sich, denn es war unwahrscheinlich, daß England im Krieg mit einem so mächtigen Feind wie Frankreich einen Mann von Rang und Erfahrung Pomfrets als Kommandeur einer Sträflingskolonie ans andere Ende der Welt schicken würde – es sei denn, man wollte verhindern, daß er an entscheidenderer Stelle Schaden anrichtete.
Und seine Manie für schriftliche Befehle, seine ständigen Signale, die seinen Untergebenen wenig Raum für Eigeninitiative ließen – all das schien auf einen Mann zu deuten, der
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