Naios Begierde (Hüter der Elemente) (German Edition)
und rannte davon.
Sie rannte den Strand entlang, bis ihr die Puste ausging. Es war schon kurz vor Sonnenuntergang. Niemand war mehr zu sehen. Das war gut so, denn sie wollte allein sein. Da fiel ihr ein, was Naios gesagt hatte. Durch den verdammten Talisman konnte er sie überall finden. Wenn sie ihn umbehielt, würde er sie sicher bald aufspüren. Entschlossen griff sie nach dem verdammten Ding und schmiss ihn so weit sie konnte hinter sich, dann lief sie weiter. Langsamer diesmal, doch sie zwang sich, nicht anzuhalten, ehe sie sich weit genug von der Stelle entfernt hatte, wo sie den Anhänger gelassen hatte. Nach einer halben Stunde musste sie endgültig eine Pause einlegen. Sie ließ sich in den Sand fallen und starrte auf das Meer hinaus. Seit sie den Anhänger abgelegt hatte, fühlte sie sich noch verlassener, als zuvor. Sie hatte einen Teil ihrer Seele verloren, als sie Naios weggeschickt hatte, doch mit dem Anhänger hatte sie noch einen weiteren Teil verloren.
Mit Tränen in den Augen blickte sie auf die Wellen, die auf den Strand spülten. Es war ein vertrauter Anblick. Das Meer war immer ihr Freund und Tröster in der Not gewesen. Sie erinnerte sich plötzlich an den Traum, den sie vor Kurzem gehabt hatte. Ihr Unterbewusstsein hatte offenbar Naios wahre Identität nicht ganz vergessen. Deswegen hatte sie von ihm in seiner wahren Gestalt geträumt. Sie fragte sich, ob das Land unter dem Wasser, dass sie in ihrem Traum mit ihm besucht hatte, wirklich sein Land war. Und würde sie im Wasser wirklich Kiemen und einen Fischschwanz bekommen?
Verdammt! Das ist verrückt. Vollkommen verrückt!
Eine Frau näherte sich ihr, doch Michelle nahm keine Notiz von ihr. Erst als die Frau vor ihr stehen blieb, hob sie den Blick. Die Frau war mittleren Altern und leicht übergewichtig, mit kinnlangen, braunen Locken. Michelle fragte sich, ob sie die Frau schon mal gesehen hatte, doch ihr fiel nichts dazu ein.
„Hallo“, grüßte die Frau mir angenehmer Stimme. „So spät noch allein unterwegs? Bedrückt dich etwas? Brauchst jemanden, der dir zuhört?“
Michelle schüttelte den Kopf.
„Nein! Danke. Es ist nett, dass Sie fragen, aber ich bin gekommen, um etwas allein zu sein.“
„Verstehe.“
Michelle wartete darauf, dass die Frau nun weiter ging, doch sie blieb stehen. Sie wollte schon etwas Unfreundliches sagen, da sprach die Frau plötzlich mit seltsam tiefer Stimme: Du solltest aber nicht allein sein. Dein Hüter scheint mir ein miserabler Hüter, wenn er so schlecht auf seine Auserwählte aufpasst. Was da alles passieren könnte.“
Michelle blieb ein erschrockener Schrei in der Kehle stecken, als sich die Frau vor ihren Augen verwandelte. Plötzlich stand ein Mann vor ihr, zumindest war die Kreatur eindeutig männlich, doch menschlich war sie eindeutig nicht. Zwar nur wenig größer, als Michelle und etwas fettleibig, aber dennoch furcht einflößend. Die Haut war von einem kränklichen Grau, das runde Gesicht abstoßend hässlich mit großen Fischaugen, einer Hakennase und einem Mund, voll von nadelspitzen Zähnen.
„Pech für deinen Hüter. Jetzt gehörst du mir. Bis zur Zeremonie muss ich dich leben lassen, doch dann werde ich mir sehr viel Zeit nehmen, dich ganz langsam zu töten und deine Qualen zu genießen.“
Michelle fand endlich ihre Stimme wieder und schrie, doch weit und breit war niemand. Panisch rappelte sie sich auf und versuchte, davonzulaufen, doch die Kreatur schnappte sie und zerrte sie zum Wasser.
„Nein!“, schrie Michelle. „Lass mich los! Ich bin nicht die, die du denkst.“
„Willst du mich beleidigen? Glaubst du, ich erkenne die Auserwählte nicht, wenn ich sie sehe? Dein Zetern nutzt dir gar nichts. Wir machen jetzt einen netten kleinen Ausflug.“
Gnadenlos zerrte er sie weiter zum Wasser und ins Wasser hinein. Michelle kämpfte mit allem, was sie hatte, doch die Kreatur war zu stark für sie. Bald waren sie so tief im Wasser, dass die Wellen immer wieder über ihren Kopf spülten. Sie bekam Panik und schrie, dann war sie unter Wasser. Sie würde ertrinken, ihre Lungen brannten und sie schloss bereits innerlich mit ihrem Leben ab, doch dann spürte sie ein seltsam vertrautes Stechen hinter den Ohren und der Druck auf ihre Lungen verschwand.
Oh nein! Es ist wie in dem Traum. Ich kann atmen. Hab ich …?
Sie blickte an sich hinab und tatsächlich, sie hatte einen Fischschwanz. Sie hätte gelacht, wenn sie nicht solche Angst gehabt hätte. Sie würde also nicht
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