Naked - Hemmungslose Spiele (German Edition)
selten mit Männern aus. Meine Eltern pflegten weiterhin freundlichen Umgang, denn sie teilten sich das Sorgerecht für mich, und nie wurde mir nahegelegt, mich für einen von ihnen zu entscheiden. Zwar kam es immer mal wieder zu Spannungen mit der neuen Familie meines Vaters, aber dafür verwöhnte meine Mutter mich nach Strich und Faden. Mom und ich waren die besten Freundinnen.
Meinen ersten „echten“ Freund hatte ich mit vierzehn, und ein Jahr später habe ich das erste Mal einem Jungen einen runtergeholt. Die meisten meiner Freundinnen verloren ihre Jungfräulichkeit mit sechzehn, aber ich wartete noch ein Jahr. Mein erstes Mal war bei einer Party im Keller meines Freundes. Ich war vernünftig genug, ein Kondom zu benutzen, und immerhin so schlau, es mit einem Jungen zu machen, der bereits bewiesen hatte, dass er mich zum Orgasmus bringen konnte. Es war nicht weiter bemerkenswert, aber alles in allem für ein erstes Mal absolut in Ordnung. Kurz darauf trennten wir uns.
In meinem letzten Jahr an der Highschool wurde plötzlich alles anders. Meine Mom, die sich bisher am liebsten in weite fließende Zigeunerröcke gehüllt hatte und ihr langes Haar am liebsten offen trug, war zwar schon immer eine begeisterte Leserin gewesen. Doch in diesem Jahr hatte sich ihre Lektüre verändert. Statt Clive Barker und Margaret Atwood studierte sie jetzt dicke in Leder gebundene Ausgaben des Tanachs und die jüdischen Kommentare. Ich kannte mich mit dem Judentum aus, obwohl wir nie mehr gemacht hatten, als zu Chanukka den Dreidel zu drehen. Aber jetzt – na ja, man sagt ja immer, es gehe nichts über den Enthusiasmus eines Konvertiten. Genau genommen war meine Mutter, die als Jüdin geboren und aufgewachsen war, natürlich keine Konvertitin. Aber sie war auf jeden Fall sehr enthusiastisch.
Plötzlich war vieles, was die Familie zuvor noch verbunden hatte, verschwunden. Zusammen mit allen Vorräten aus der Speisekammer, von denen sie überzeugt war, sie nicht mehr essen zudürfen. Sie räumte die Hälfte des Geschirrs weg und benutzte es ein Jahr lang nicht, weil es so lange dauerte, bis Teller und Tassen wieder koscher waren. Den Rest machte sie koscher, indem sie kochendes Wasser darübergoss. Von da an war unser Haushalt komplett fleischlos.
Plötzlich waren wir also Juden und Vegetarier. Meine Mom hatte vorher gern Fleisch gegessen. Mit den Speisevorschriften am Sabbat hätte ich umgehen können. Kerzen anzünden, Challah backen. Kein Problem. Aber Cheeseburger aufgeben? Auf keinen Fall.
Ich zog zu meinem Dad und Marjorie. Sie nahm mich auf, gab mir aber schon das Gefühl, eine Last für sie zu sein. Es war ihre Pflicht, hörte ich sie einer Freundin zuflüstern, die zum Kaffee vorbeikam. Ihre christliche Pflicht. Der Umstand, dass ich nicht getauft war, störte sie mehr als die Tatsache, dass ich schwarz war. Das war auch ganz gut so, denn womöglich bestand ja die vage Chance, dass ich eines Tages Jesus Christus als Erlöser akzeptieren würde. An meine Hautfarbe konnte ich nun mal nichts ändern.
Ich liebte meinen Dad, und es machte mir nichts aus, das Badezimmer mit meinen Stiefschwestern zu teilen. Auch mit dem kleinen feuchten Schlafzimmer im Keller kam ich zurecht. Und die Gebete vor den Mahlzeiten störten mich nicht, denn hier konnte ich wenigstens so viel Schinken essen, wie ich wollte. Ach, Schinken! Jeden Morgen gab es Schinken und Ei. Nicht mal die Kirchgänge störten mich, denn die Ministranten waren süß.
Meiner Mutter gefiel das alles natürlich überhaupt nicht. Aber sie war voll und ganz mit sich selbst beschäftigt und ließ daher manch anderes schleifen. Solange ich an den Feiertagen zu ihr kam, die sie mit mir feiern wollte, war es ihr egal, wo ich den Rest der Zeit verbrachte. Wenn ich zu Chanukka da war und die Menora entzündete, war es ihr recht, wenn ich anschließend heimging und Geschenke in die Strümpfe stopfte. Ich war klug genug, ihr nicht von der Jugendgruppe zu erzählen, die ich besuchte,weil Marjorie mich dazu ermunterte. Oder dass mein Dad immer wieder davon anfing, dass es doch gar keine schlechte Idee wäre, mich taufen zu lassen.
Ich entkam meiner Erlösung, indem ich zum College ging. In meinem zweiten Jahr dort lernte ich Patrick kennen. Er hatte ein Zimmer in meinem Wohnheim, und als er mich das erste Mal anlächelte, war es um mich geschehen. Er war groß, hatte helle Haare und gesunde rote Wangen – und er war Katholik. Ein echter
Weitere Kostenlose Bücher