NAM-Tech: Maschinenbrut (German Edition)
betreten, die Licht, Luft und einen unbekannten Zauber zu versprechen schienen, war es rein rechnerisch nicht sinnvoll, weiterhin Energie zu verbrauchen. Die Entscheidung würde kommen. Vielleicht in eintausend Zyklen, zweitausend Zyklen oder mehr, aber die Entscheidung würde kommen. Abschalten und Energie sparen.
Ruhezustand bis zum jüngsten Tag. Unendliche Stille.
Als sich die Felsen jäh öffneten, wurden die Zählerstände von einem reißenden Sturzbach aus Sensordaten überspült. Die Helligkeitswerte vervielfachten sich im Licht der Bergsonne. Die Information über die Luftzusammensetzung schraubte sich in einen Bereich hoch, den Menschen als angenehm erfrischend empfinden würden, und ein geringer Anstieg in den Präzisionszählern deutete auf einen Stich von Kupfer und Rosen hin. Geräusche aus der Bergwelt überrumpelten die akustischen Sensoren wie eine Lawine. Licht, Luft und der Zauber der Natur drangen in das Dunkel der Höhle, als das menschliche, weibliche Wesen den geschützten Zugang von außen öffnete.
»Sol.«
Das Wesen entschied sich, nicht abzuschalten.
Die Zahlen stören mich nicht mehr. Die Zyklen sind unter Kontrolle. Eine neue Kombination der Zähler hat die Information aus den Sensoren zusammengesetzt
und Daten angesprochen, die im Speicher liegen. Sara – das ist sie. Sol – das bin ich.
Die Verarbeitung ist fertig. Die Farbe ist golden und ich bin frei.
03 _ NAM-Tech HQ [Supremacy]
Die rote Morgensonne sandte ihre starken Strahlen durch die lichtmodifizierenden Scheiben, aus denen sie als schillernde Pastellfarben hervortraten und in einen sauberen, makellosen Raum hineinströmten. Ein warmes Orange legte sich über den glatten Tisch, der als großes Oval im Zentrum stand.
Eine kleine Tür an der hinteren Wand glitt leise beiseite und eine weißgekleidete Frau betrat den Raum, ging von einem Sitzplatz zum anderen und legte je eine flache Schachtel mit kleinen Kapseln auf den Tisch. Sie ging beinahe lautlos, und ihre Bewegungen hatten eine Routine, so als habe sie ihr Leben lang nichts anderes gemacht. Als sie alle Schachteln verteilt hatte, schaute sie prüfend auf das glatte Oval, das im Licht der aufgehenden Sonne langsam den orangefarbenen Schleier verlor, und schien zufrieden zu sein. Mit einem kleinen Lächeln rückte sie ihre Brille zurecht und drehte sich zur Seitenwand um.
Der Mann mit dem keramischen Haupt, der den Raum durch die gleiche Tür betrat wie sie, ging noch lautloser als sie selbst, blieb auf der einen Seite des Tisches stehen und schaute ihr zu, wie sie mit der flachen Hand an die gegenüberliegende Wand tastete. Ihre Finger fanden die versteckten Sensoren, ruhten eine Weile auf ihnen und wichen zurück, als die Wand unmerklich zu summen begann. Als die Frau sich umdrehte – kurz bevor sie ihn selbst erkennen konnte – begann der Mann zu sprechen.
»Guten Morgen, Susan.«
Die Frau riss die Augen auf und erschrak ein wenig, legte dann die Hand auf den Mund und beruhigte sich wieder.
»Guten Morgen. Haben
Sie
mich erschreckt!«
Der Mann lächelte und sie lächelte zurück.
»Das tut mir leid. Wissen sie, dieser Raum ist immer so makellos eingerichtet und perfekt vorbereitet, wenn ich hereinkomme – ich wollte nur einmal dabei zusehen, wenn sie das machen.«
»Aber das ist doch keine Kunst! Ein solcher Raum verkommt ja auch nicht. Das haben wir schon im Griff.«
Sie lachte.
Der Mann ging langsam um den Tisch herum, blieb am dritten Platz stehen und stützte seine Arme auf die Lehne des weißen Schalensitzes, der dort stand.
»Wie geht es Ihrem Sohn, Susan?«
»Nett, dass sie fragen. Oh, es geht ihm soweit ganz gut. Er ist ja erst vor kurzem ins akademische Jahr gekommen und da geht er richtig drin auf.«
»Das freut mich zu hören. Was studiert er, wenn man fragen darf?«
»Naja ... das ist so eine Sache ... das wird ihnen sicher nicht gefallen ...«
»Ach was, heraus damit«, sagte der Mann aufmunternd.
»Nun, er studiert Regenerationsbasierte Energiewirtschaft. Er interessiert sich für nachwachsende Rohstoffe und das alles.«
Sie blickte ihn nervös an.
»Ach wissen Sie, keine Angst«, antwortete der Mann. »Da gibt es heutzutage sehr viele, die dem hinterher irren. Wenn ich da an meine Töchter denke ...«
Die weißgekleidete Frau unterbrach ihn.
»Wir müssen nicht darüber reden, wenn es ihnen unangenehm ist.«
Er sah sie fragend an.
»Ich meine ... es war ja nicht einfach für Sie. Jeder weiß das.«
»Naja.«
»Ohne eine
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