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NAM-Tech: Maschinenbrut (German Edition)

NAM-Tech: Maschinenbrut (German Edition)

Titel: NAM-Tech: Maschinenbrut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Heracles
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es nannten – erwartete. Als sich die Türen zur neunundneunzigsten Etage wie die eines Raumschiff-Schotts zischend öffneten, fühlte er sich mehr denn je wie ein Außenstehender, der eine unbekannte Welt nur mit primitiven Hilfsmitteln wahrnehmen konnte. Es war, als habe man ihn in eine rostige Taucherglocke mit vergilbten Fenstern gesteckt, um ihm die Schönheit eines tausend Meter tief liegenden Meeresgrundes zu zeigen. Er zuckte nicht einmal, als Ramiro ihm kumpelhaft gegen die Schulter schlug, eine ästhetisch fragwürdige Art von Tanzhaltung einnahm und ihnen mit geschmeidigen Bewegungen einen Weg durch die Menge bahnte.
    »Ist das 'ne Hütte oder was?«, fragte der Grenadier ihn rücklings über die Schulter hinweg.
    Aber Rico war nicht imstande, ihm zu antworten. Die Impressionen prasselten auf seine Sensorik ein wie ein Wasserfall. Auditiv erreichte die Belastung durch die Lärm-Emittenten die inhärente Grenze seiner akustischen Rezeptoren, welche sich daraufhin selbstregulierend abschalteten oder eine algorithmische Dämpfung auslösten. Aufgrund der ständig wechselnden Schalldruckpegel, die bei den Anwesenden eher stimulierende als abschreckende Wirkung zu zeigen schienen, schwankte auch die Regulierung, die Rico nicht unter Kontrolle hatte, so dass das interne Resultat ein arythmisches Wechselspiel zwischen Lärm und Stille war. Visuell durchlebte die bildgebende und bildunterstützende Sensorik eine Achterbahnfahrt gepaart mit einer hochfrequenten Diashow. Rico bemühte sich, der blitzenden Silhouette von Ramiro zu folgen, den Blick geradeaus zu richten und einfach nur einen Fuß vor den anderen zu setzen, aber die Eindrücke drohten, seine künstliche Wahrnehmung vollständig außer Gefecht zu setzen. Es dauerte immer etwa zwei Schritt, nachdem er einen bestimmten Punkt im Raum passiert hatte, bis sich in seiner inneren Logik ein vages Gesamtbild dessen zusammengefügt hatte, was er an diesem vorherigen Punkt eigentlich gesehen haben musste. Bis er bemerkt hatte, dass er in seinen Berechnungen mehrere Zyklen hinterherhinkte, war er schon mit Ramiro zusammengestoßen.
    »Hey,
hombre
! Alles klar bei dir?«, grinste ihn das flackernde Bild seiner menschlichen Züge an.
    Rico konnte nicht schnell genug antworten.
    »Komm schon! Bis zur Bar müssen wir's noch schaffen. Sieh's als Härtetest!«
    Die Impressionen, die seine Recheneinheiten schließlich in riesige Datenbereiche wegsicherten, lieferten ein Ergebnis das ihn zum Schluss kommen ließ, in einem Raum gelandet zu sein, der direkt einer unbekannten Chaos-Dimension entsprungen sein musste. Hinter ihm lag ein Steg aus schmalem Wellengitter, der eindrucksvoll offenbarte, dass sie nicht etwa auf Bodenhöhe dem Aufzug entstiegen waren, sondern auf einer luftigen Zwischenebene. Während der gesamte Raum in ein schummriges Licht gehüllt war, beinahe geheimnisvoll und so dunkel, dass man die wahren Ausmaße der großen Halle gar nicht ermessen konnte, blitzten im gesamten sichtbaren Bereich ovale Flächen wie farbige Inseln auf – so groß, dass bis zu dreißig Personen diese Plattformen bevölkern konnten und so durcheinander, dass man sie rechts und links, oben und unten und überhaupt in allen Richtungen entdecken konnte. Rico sah die Inseln, die in seinem internen Speicher beinahe passgenau mit einem überdimensionalen Sternbild übereinstimmten, und obwohl er die Gitter nicht sehen konnte, weil sie nicht im bunten Licht der Scheinwerfer lagen, begann er zu kombinieren, dass jede dieser Plattformen auf irgendeine Weise mit einer benachbarten verbunden sein musste.
    Allmählich begann er, die Berechnungen unter Kontrolle zu bekommen, Information zu filtern und nur die für seine Haptik wesentlichen Daten direkt zu verarbeiten. Den Rest versuchte er, zwischen zu speichern und nur bei Bedarf wieder aufzurufen. Dennoch setzten ihm die Eindrücke zu, und nachdem der erste, physikalische Schock überwunden war, begann ein Strom subtiler Erinnerungen, ihm die Anwesenheit in diesem Raum zu erschweren. Steif an die Bar gelehnt sah er Ramiro zu, der ihn – nachdem er sich flüchtig versichert hatte, dass Rico zumindest in den nächsten zehn Minuten nicht aufgrund von Sensorüberlastung umkippen würde – mit einem synthetischen Drink in der Hand dort neben einer dickbäuchigen Frau mit orientalischen Zügen und einem schweren Kopf hatte stehen lassen. Beharrlich versuchte Rico, die Betrunkene nicht zu beachten und den partywütigen Grenadier, der sich

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