Namibische Nächte (German Edition)
Dusche. Sie drehte sich auf die Seite und richtete sich vorsichtig auf der Bettkante auf, bis ihre Füße den Boden berührten. Dabei kam sie sich vor, als wäre sie uralt, denn jede schnellere Bewegung verursachte unangenehme Empfindungen wie Stechen in den Schläfen und Schwindelgefühle.
»Tuhafeni?«
Das Mädchen schien nicht mehr da zu sein. Es war ihr wohl zu langweilig geworden. Das konnte Vanessa verstehen. Anscheinend hatte die Kleine ihr noch das Tuch auf die Stirn gelegt und war dann gegangen. Sehr fürsorglich von ihr. Doppelt, da sie noch so klein war.
Allerdings wusste Vanessa nicht genau, in welchem Alter Kinder irgendetwas taten. Dennoch hatte sie den Eindruck, dass die Kinder hier in diesem Land anders waren als die, die sie hauptsächlich durch die Geräuschkulisse, die sie verursachten, in Deutschland kennengelernt hatte. Die Kinder hier in Namibia waren ruhig, schrien nicht herum, nervten die Erwachsenen nicht. Es war, als wären sie nur Schatten, die sofort verschwanden, wenn sie im Weg waren.
Als sie mit Isolde die Werft verlassen hatte, hatte sie viele Kinder gesehen, sie spielten auf der Straße, eigentlich nur im Sand und Staub zwischen den Hütten, eine Straße in dem Sinne war das nicht, oder beobachteten stumm, was vor sich ging.
Das einzig richtig lebhafte Kind, das sie bisher gesehen hatte, war Isoldes Sohn gewesen, die blonde Frucht von Kians Lenden.
Sie biss die Zähne zusammen. Nicht an weiße Kinder denken, nur an schwarze. Das war wesentlich angenehmer und rief keine unschönen Erinnerungen hervor.
Sie stützte sich an der Wand und auf irgendwelchen Möbeln ab, um ins Bad zu gelangen. Kaltes Wasser, das sie sich ins Gesicht schöpfte, brachte nach einiger Zeit eine gewisse Klarheit zurück. Das Pochen in ihrem Kopf ließ nach.
Ein Sonnenstich. Meine Güte. Sie hätte nie gedacht, dass das so ein Problem sein könnte. Sie war noch nie in einem Land gewesen, in dem die Sonne eine Gefahr darstellte.
Nachdem der Schwindel nachgelassen hatte und sie sich einigermaßen sicher fühlte, drehte sie die Dusche auf und ließ das Wasser über ihren Körper fließen. Es dauerte nicht lange, und die Wohltat erfüllte ihren Zweck: Sie fühlte sich wieder sauber und einigermaßen bereit, der Welt zu begegnen.
Oder auch nicht. Sie hatte sich einiges aufgeladen mit dieser Geschichte hier, mit dieser unerwarteten Begegnung mit der Vergangenheit. Bisher hatte sie sich recht erfolgreich davor geschützt, in Europa war die Erinnerung immer mehr verblasst, aber hier in Afrika stand sie plötzlich wieder in leuchtenden Farben vor ihr. Das Licht hier ließ keine Schatten zu, keine blassen Bilder. Selbst das unscheinbare Braun des Sandes leuchtete, als wäre es ein Teil der unbarmherzigen Sonne, die am Himmel stand.
Sie fragte sich erneut, ob es nicht besser wäre, abzureisen. Aber das wäre ein Sieg für Kian . . . und Isolde. Vanessa hatte zwar oft genug in ihrem Leben nachgeben müssen, aber sie fühlte sich nicht gern als Verliererin.
Auf der anderen Seite gab es hier auch nichts zu gewinnen. Die Würfel waren längst gefallen. Was sollte sie daran noch ändern?
Und wollte sie das überhaupt? Eine Zukunft mit Kian war doch sowieso nicht vorstellbar. Sie wollte weder eine Ehe zerstören noch Kindern ihren Vater nehmen. Selbst, wenn Kian das gewollt hätte. Was er nicht tat. Er hatte überhaupt kein Interesse mehr an Vanessa. Im Gegenteil, er wäre sie lieber heute als morgen los gewesen. Dass Vanessa ihn immer noch liebte, spielte dabei keine Rolle.
Sie seufzte. Auch für sie selbst sollte es keine Rolle spielen. Liebe war eine großartige Geschichte, solange sie dauerte. Wenn es vorbei war, war es vorbei.
Außerdem, was für ein Leben hätte sie mit Kian führen können? Jetzt, wo er der Besitzer der Farm war, war eine Rückkehr nach Deutschland für ihn noch undenkbarer als vor Jahren. Ein Leben in Namibia auf der anderen Seite war für Vanessa unvorstellbar. Was sollte sie tun in einem von der Zivilisation so entfernten Gebiet? Sie konnte weder Kühe melken noch Früchte aus der Wüste hervorzaubern.
Und dann war da ja auch noch Isolde. Isolde, die große, blonde Beherrscherin der Farm und des Familienlebens. Niemals würde sie auf Kian verzichten. Sie hatte jedes Recht dazu. Sie war seine Frau.
Vanessa bemerkte, dass diese Gedanken ihr nicht gut taten. Sie sollte dieses Thema endlich abschließen. Aber wie konnte sie das, wenn sie jeden Tag damit konfrontiert wurde?
Als sie zum
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