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Namibische Nächte (German Edition)

Namibische Nächte (German Edition)

Titel: Namibische Nächte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle van Hoop
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Langsam wandte er den Kopf. »Wie bitte?«
    »Damals bist du auch weggelaufen.« Vanessa drehte sich um und ging zum Schrank.
    »Ich hatte keine Wahl.«
    »Oh ja, richtig: Du hattest keine Wahl.« Vanessas Stimme triefte vor Sarkasmus. »So als Ehrenmann.«
    »Ich habe keine Ahnung, was das damit zu tun hat. Und du wusstest, dass ich nach Namibia zurückgehen würde. Daraus habe ich nie ein Geheimnis gemacht.«
    »Ja, daraus habt ihr nie ein Geheimnis gemacht: du und Isolde«, erwiderte Vanessa süffisant.
    Kian betrachtete sie mit starrem Blick. »Du verstehst das nicht.«
    »Das war immer das Problem, nicht wahr?« Vanessas Hand lag auf der Schranktür, aber sie konnte sie nicht öffnen. Kian hätte das Zittern gesehen, das ihr Inneres erfasst hatte und so nach außen gedrungen wäre. »Ich verstehe so vieles nicht, was ihr beide versteht. Ich bin nur das Dummchen aus Deutschland, das keine Ahnung hat.«
    Kians Mundwinkel zuckten. »Auf jeden Fall ist das die Art, wie ihr Deutschländer denkt: Ihr müsst immer alles übertreiben.«
    Wenn sie früher an diesem Punkt der Diskussion angekommen waren, hatte es meistens kein Zurück mehr gegeben. Es gab Deutsche und Deutschländer. Deutsche waren diejenigen, die in Namibia geboren waren, Deutschländer waren die, die in Deutschland geboren waren. Und es lag ein tiefer Graben dazwischen, ein ganzer Kontinent.
    Vanessa atmete tief durch. Sie fühlte sich im Augenblick zu schwach, um solche Auseinandersetzungen zu führen. »Würdest du mich jetzt bitte alleinlassen?«, verlangte sie mit kühlem Blick. »Ich würde mich fürs Abendessen gern anziehen.«

11
    D as Abendessen wurde wie das Frühstück als Buffet serviert. Es gab große Schüsseln, die von einer Reihe junger Mädchen, von Isolde wie von einem Offizier angeführt, aus der Küche gebracht wurden.
    Vanessa beobachtete die Zeremonie, als sie über den Hof zum Essen hinüberging, und hätte fast gelacht. Was für ein Bild. Es war wie eine Parade.
    Isolde schritt aufrecht an der Spitze, hinter ihr in Reih und Glied die Angestellten, jede vor sich eine Schüssel haltend. Es war offensichtlich, dass hier kein Mangel an Arbeitskräften herrschte.
    Isolde ging am Buffet vorbei und blieb stehen. Dann stellte jede der jungen Frauen ihre Schüssel auf dem Buffet ab, anscheinend an einem festgelegten Platz. Manchmal machte Isolde eine kleine Geste, wenn eines der Mädchen die Schüssel falsch platzierte, und sofort wurde der Fehler behoben.
    Zum Schluss zogen die Angestellten sich an den Rand des Essbereichs zurück, während Isolde ihren Blick noch einmal prüfend über das Buffet schweifen ließ. Erst, als sie den jungen Frauen zunickte, dass alles in Ordnung war, verschwanden sie in der Küche.
    Vanessa fühlte sich wie in eine andere Zeit versetzt. Hätte Isolde nicht Jeans und T-Shirt getragen, sondern ein viktorianisches Kleid und einen Schlüsselbund an der Hüfte, hätte es nicht passender sein können.
    Die viktorianischen langen und ausladenden Kleider trugen jedoch heutzutage nicht mehr die Weißen, sondern ausschließlich die Hererofrauen, das war eines der ersten Dinge gewesen, die Vanessa an den Bildern im Internet aufgefallen waren.
    Zu diesen in farbenfrohen Stoffen genähten Kleidern gehörte hier ein Kopftuch in derselben Farbe, das auf eine ganz bestimmte Art gebunden wurde, so dass es fast wie die Hörner eines Tieres aussah.
    Die Frauen der anderen Stämme trugen diese Kleidung nicht, Hererofrauen waren durch diese auffällige Ausstattung jedoch immer sofort zu erkennen.
    Es waren wieder neue Gäste angekommen, die angeregt plaudernd am Tisch saßen. Vanessa gab es auf, sich Gesichter oder Namen merken zu wollen. Sie blieben nur eine Nacht, morgen waren sie ohnehin wieder fort.
    »Du siehst ja schon ganz munter aus«, bemerkte Isolde im Vorbeigehen mit einem flüchtigen Lächeln. Sie wirkte äußerst beschäftigt, und ihre Augen huschten hin und her, um alles im Blick zu behalten.
    Ob Kian ihr von unserem Gespräch erzählt hat? fragte Vanessa sich. Nein, bestimmt nicht. Sie hätte fast geschmunzelt. Vor allem hatte er Isolde sicher nichts davon erzählt, in welch unbekleidetem Zustand er Vanessa angetroffen hatte.
    Kaum dachte sie daran, fühlte sie wieder ein heißes Gefühl in sich aufsteigen. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass Kian hereingekommen war, während sie nackt auf dem Bett lag, seinen Blicken völlig preisgegeben.
    Was hatte er getan? War er stehengeblieben und hatte sie betrachtet? Und

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