Namibische Nächte (German Edition)
Tuch auf die Stirn gelegt?« Vanessa hatte für einen Moment das Gefühl, als würde sie schwanken. Aber jetzt nachts konnte es nicht der Sonnenstich sein.
»Das ist gut bei Sonnenstich«, sagte er.
»Ja. Ja, ganz sicher.« Sie konnte nicht mehr sagen, weil sie darüber nachdachte, warum er das getan hatte. Krankenpflege war nicht gerade sein Spezialgebiet, wenn sie sich an früher erinnerte. »Das . . .« Sie räusperte sich. »Das war nett von dir. Danke.« Sie schüttelte den Kopf. »Also bin ich dann deinetwegen im Traum duschen gegangen.«
»Wie bitte?« Er schien überrascht.
»Ich hatte einen Traum.« Vanessa lächelte leicht. »Und als ich aufwachte, dachte ich, meine Haare wären nass, weil ich geduscht hätte. Aber das hatte ich nicht. Du hattest das Tuch nur nicht richtig ausgedrückt, und alles war auf das Kissen heruntergelaufen. Mit mir als Schwamm dazwischen.«
Von ihm kam ein Laut, als hätte sich etwas in seinem Rachen verfangen. »Du änderst dich nie. Immer hast du an allem etwas auszusetzen.«
Vanessa war nicht in der Stimmung, sich zu streiten. Nicht mehr. Im Gegenteil. Sie war verwundert. Von Kians Fürsorge. Als ob ihm etwas an ihr läge. »Schon gut«, erwiderte sie versöhnlich. »Du hast es gut gemeint. Manchmal geht das eben ein bisschen schief.« Sie strich verabschiedend mit ihren Fingern über seinen Arm.
Im gleichen Moment durchzuckte es sie wie ein Blitzschlag. Sie spürte die kräftigen blonden Haare auf seinem Unterarm, die sich in ihre Handfläche schmiegten, die warme Haut darunter. Ihre Hand blieb liegen, obwohl sie sie hatte wegziehen wollen.
Kian schien immer noch erstarrt, so wie er die ganze Zeit schon dagestanden hatte. Doch plötzlich legte seine Hand sich über Vanessas, der Daumen begann sie sanft zu streicheln.
»Tu das nicht«, wisperte Vanessa schwach.
»Ich weiß.« Kians Daumen verhielt, als ob er auf etwas wartete.
Vanessa spürte das Kribbeln in ihrem Körper, die bekannten Gefühle, die sie so lange unterdrückt hatte. »Ich muss . . . zum Haus.« Sie schluckte.
»Ja.« Doch obwohl Kian das sagte, rührte er sich nicht.
»Kian . . .«
Nun sagte Kian nichts mehr, sondern ließ seine Finger langsam zu Vanessas Handgelenk wandern.
Vanessa wusste nicht, was sie tun sollte. Sie sehnte sich so sehr danach, dass Kians Finger nicht stehenbleiben würden, dass sie sich weitertasten würden über ihren Arm hinauf, zu ihrer Schulter, zu –
»Nein.« Das Wort entschlüpfte so leise ihren Lippen, dass man es kaum hören konnte.
Doch wie leise es auch gewesen war, Kian hatte es offensichtlich gehört. Seine Finger verharrten noch einen Moment, glitten dann hinunter, ließen Vanessas Handgelenk allein zurück. Doch immer noch berührte ihre Handfläche seinen Arm.
»Kian . . .« Ein Hauch von Vanessas Stimme schwebte durch die Luft.
Er trat auf sie zu, und ohne ein Wort zu sagen, zog er sie in seine Arme. Sie hielt den Atem an, als ihre Brust seine berührte. Warme Hände streichelten ihren Rücken. »Es ist so lange her«, flüsterte er.
Sie schluckte. »Sieben Jahre. Eine Ewigkeit.«
Was war das hier? Es fühlte sich an, als müsste es so sein, als würden sie zusammengehören. Ihr Körper schmiegte sich an seinen, als wäre es nie anders gewesen, als hätten sie sich nur kurz verabschiedet, um sich dann wiederzusehen, voller Sehnsucht selbst nach einer kaum nennenswerten Zeit der Trennung.
Kians Lippen streichelten ihr Haar, bewegten sich auf ihr Ohr zu, glitten von dort auf die Wange.
Vanessa fühlte Schauer unter ihrer Haut. Die sanfte Berührung versetzte ihr Innerstes in Aufruhr. Ihre Lippen öffneten sich ganz von selbst. Sie dachte gar nicht darüber nach.
Die Augen geschlossen folgte sie nur mit ihren fühlenden Sinnen der Spur der Zärtlichkeit, die sich ihren Lippen immer mehr näherte. Ihr Atem ging flach vor Erwartung, fast blieb er stehen. Das harte Klopfen ihres Herzens schien von Kians Brust zurückzuprallen, sie beide gefangen zu halten.
Endlich hatten suchende Lippen wartende Lippen erreicht, strichen darüber, fragend.
Die Antwort war so eindeutig, dass sie in einen tiefen Kuss versanken, als ob sie die Welt um sich herum vergessen hätten.
Vanessa dachte, sie würde schweben, fast wie im Traum. Als hielten Kians Arme sie auf einer Wolke fest, ohne Boden unter den Füßen.
Erst als sie spürte, dass sein Körper sich gegen ihren drängte, wurde sie sich der Realität bewusst. Das war kein Traum.
Aber sie wollte nicht aufwachen.
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