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Namibische Nächte (German Edition)

Namibische Nächte (German Edition)

Titel: Namibische Nächte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle van Hoop
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an gestern denken musste.
    Er war stundenlang unterwegs gewesen, um nach diesen Wilderern Ausschau zu halten, und nach dem Knurren seines Magens zu urteilen musste es bald Mittagszeit sein.
    Er ging ins Haus, um festzustellen, ob das Essen schon auf dem Tisch stand.

13
    D ie Sonne erhob sich morgens genauso schnell aus ihrem Bett, wie sie am Abend unterzugehen pflegte. Mit strahlender Gewissheit, dass dies ein guter Tag werden würde, drang sie in jeden Winkel, erwartete freudige Gesichter und verscheuchte die Schatten der Nacht.
    Vanessa hatte sich noch nicht daran gewöhnt, dass es kaum, dass der Himmel sich heller zu färben begann, gleich Tag wurde. Sie wartete immer noch auf die bekannte Morgendämmerung, die sie oft dazu nutzte, ihren Gedanken nachzuhängen, sich darauf vorzubereiten, was der Tag bringen würde. Sich zu stählen für all die Herausforderungen.
    Sollte ein Urlaub nicht eigentlich genau das Gegenteil einer Herausforderung sein – alles hinter sich lassen, Entspannung? Sie seufzte, während sie im Bett lag, die Arme unter dem Kopf verschränkt und die Savanne im Blick. Helles Blau ging in dürres Gelb über, wo Himmel und Erde sich trafen, aber es war nichts Lebloses daran. Vereinzelt stachen trockene Bäume und Sträucher aus dem Gelb hervor, überraschend ging es in ein staubbedecktes, Leben verheißendes Grün über, dann wieder in roten Sand. Gestalten huschten hin und her, urplötzlich flog ein Vogel auf und entfaltete seine Schwingen. Große Schwingen, die einen langgezogenen Schatten auf den Boden warfen.
    Vanessa stand neugierig auf, um den Vogel besser mit ihren Augen verfolgen zu können. Die Spannbreite seiner Flügel musste mindestens zwei Meter betragen. Majestätisch ließ er sich ein Stück entfernt wieder auf dem trockenen Gras nieder und schritt, den Blick auf den Boden gerichtet, gemächlich voran. Die langen Beine verliehen seinem Gang etwas Aristokratisches. Auch die Haube auf seinem Kopf hatte etwas von einer Krone. Seine Oberschenkel waren von flaumigem schwarzem Gefieder bedeckt, erst unterhalb des Knies wurden seine Beine nackt. Er sah aus, als trüge er eine knielange, schwarze Hose, denn wo die Beine in den Körper übergingen, war das Gefieder weiterhin schwarz bis hin zu den Schwanzspitzen, die fast wie Frackschöße aussahen. Den vorderen Teil des storchenartigen Körpers schmückten lange, silbrig graue Federn, als ob er sich sehr sorgfältig mit Rock und Weste angezogen hätte. Nur die rot umränderten Augen erinnerten ein wenig an einen Geier, sonst glich der Kopf mit dem scharfen Schnabel eher dem eines Adlers.
    Vanessa nahm vorsichtig ihr Handy und fotografierte ihn. Dabei sah sie, dass das, was ihr zuvor wie eine Krone erschienen war, aus einzelnen langen Kopffedern bestand, die weit nach hinten abstanden. So aus der Nähe erinnerte es eher an den Kopfschmuck eines Indianers.
    Sie kannte sich nicht sehr gut mit Vögeln aus, aber dieser hier schien ihr etwas Besonderes zu sein. Sie fand keine vergleichbare Art in ihrem zugegebenermaßen kleinen Vogelrepertoire. Vielleicht konnte sie später jemand fragen. Johannes hatte sicher nichts dagegen, es ihr zu erklären.
    Für eine Weile beobachtete sie den Vogel, wie er ohne Eile den Teil der Savanne durchquerte, der vor ihrem Fenster lag. Eine so beschauliche Szene, wie sie sich seit Jahren nicht erinnern konnte, eine gesehen zu haben. Die personifizierte Ruhe. Er schien nicht wegfliegen zu wollen. Auf seinen langen Beinen machte es ihm bestimmt keine Mühe, selbst weite Strecken zurückzulegen. Im Gegensatz zu dem viel kleineren Rennvogel konnte Vanessa sich dieses in sich selbst ruhende Tier nicht in einem schnellen Tempo laufend vorstellen.
    Sie lächelte, und als der Vogel langsam aus ihrem Gesichtsfeld verschwand, wandte sie sich von seiner so offen zur Schau getragenen Ruhe angesteckt zuversichtlich dem neuen Tag zu.
    Nach einer erfrischenden Dusche zog sie sich an und setzte ihren Hut auf, bevor sie die Rundhütte verließ. Sie wollte auf keinen Fall wieder einen Sonnenstich heraufbeschwören.
    Da es noch so früh war, fand sie einige der Gäste, die heute abreisen wollten, an dem langen Frühstückstisch vor. Sie waren zum Teil aufgeregt, zum Teil schon etwas erschöpft, je nachdem, ob sie sich am Anfang oder am Ende ihrer Namibia-Rundreise befanden.
    Sie nickte ihnen zu, stellte sich ihr Frühstück am Buffet zusammen und machte sich mit einem kleinen Tablett auf den Weg zurück in ihre Hütte.
    »Nanu?

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