Nana - der Tod traegt Pink
optimieren gewesen wäre, dann kämpfe ich mit nur einem einzigen Punkt: dass Nana nicht gleich nach ihrer Entscheidung entlassen werden konnte. Aber dadurch, dass es Silvester war und wir an diesem Tag keinen verantwortlichen Arzt erreicht haben, wäre zu dem Zeitpunkt eine Entlassung mit adäquater Versorgung zu Hause leider nicht organisierbar gewesen. Dank eines netten Pflegers wurde zumindest vorab schon mal das Palliativteam informiert.
Insofern war ich sehr erleichtert, als mir Nanas Mutter am I. Januar am Telefon erzählte: ›Es war gut. Wir haben zwei schöne Lebensstunden beim Feuerwerk verbracht und ganz wichtige Dinge miteinander besprochen.‹ So hatte ich das Gefühl, dass diese letzten, eigentlich unnötigen Tage in der Klinik nicht ganz umsonst waren. Nicht nur geklaute Lebenszeit.«
Nach dem Feuerwerk gehen beide ins Bett. Barbara wurde gestattet, während Nanas Aufenthalt in ihrem Zimmer zu übernachten, da Nana allein liegt und keine Mitpatientin das Bett benötigt. Das allererste Mal in 15 Monaten darf die Mutter bleiben. Schlafen aber kann sie nicht. Nicht nur wegen der Trauer über die gefällte Entscheidung. Es ist die konkrete Angst vor dem, was jetzt kommt. Barbara will Nana den letzten Wunsch der Heimkehr unbedingt erfüllen. In dieser Nacht fragt sich Barbara aber, ob das überhaupt realisierbar ist:
Zu dem Zeitpunkt hatte ich noch keine Information darüber, wie groß die Unterstützung des ambulanten Palliativteams tatsächlich sein würde. Wäre ich mir dessen bewusst gewesen, hätte ich Nanas Heimkommen sehr viel entspannter entgegengeblickt. Ihre Wirbelsäule beispielsweise war ja schon Monate zuvor brüchig. Wie sah sie jetzt nur aus? Was, wenn wir zu Hause mit einer Wirbelfraktur, einer Querschnittslähmung konfrontiert wären? Wenn die Schmerzen unbeherrschbar blieben und auch daheim keine Anpassung der Dosierung möglich wäre? Unser Haus hat viele Treppen – wie lange würde Nana sie bewältigen können? Und, ganz banal: Woher kriegen wir so schnell einen Rollstuhl, einen Toilettenstuhl, vielleicht ein Pflegebett? Ich machte mir große Sorgen, dass ich meiner Tochter zu viel versprochen hatte und das gar nicht würde einhalten können.«
Bis Nana nach Hause gehen kann, vergehen zwei weitere lange Tage. Dennoch findet im Krankenhaus eine spürbare Veränderung statt: Mit Nanas Entscheidung wechselt der Verantwortungsbereich. Zuständig ist jetzt die Palliativmedizin, in Nanas Fall die SAPV (Spezialisierte Ambulante Palliatiwersorgung).
Der zuständige Konsilpalliativmediziner, Dr. Marcus Schlemmer, macht sich persönlich ein Bild von der Familie, um daraufhin das Betreuungsteam passend zusammenzustellen. Silke ist heute noch erstaunt über die Schnelligkeit:
Daran lässt sich ein Wechsel in der Wertigkeit des Lebens ablesen: Man besucht gleich in der Früh seine Patientin, denn ihr bleibt vielleicht nur noch der nächste Tag. Mit Hochdruck wurde an Lösungen gearbeitet, rasch wurden Team und Schmerzpumpe organisiert. Das war Glück. Glück im Unglück. Das Palliativteam hatte genau das gleiche Gespür.«
Info: Palliative Care
Nach Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) von 2002 ist »Palliative Care« ein Versorgungskonzept zur Verbesserung der Lebensqualität von Patienten und ihren Familien, die von einer lebensbedrohlichen Krankheit betroffen sind. Schmerzen und andere Probleme physischer, psychosozialer und spiritueller Natur werden frühzeitig erkannt und behandelt. So wird Leiden gelindert. Die Ärzte und Pflegekräfte durchlaufen eine Zusatzausbildung zu ihrer eigentlichen Qualifikation und bringen viel Erfahrung in ihrem Fachgebiet und insbesondere in der ambulanten Versorgung mit.
Bei der SAPV geht es in erster Linie um die Betreuung besonders schwer betroffener Patienten, die unter komplexen Symptomen leiden. Ziel ist, dass die Patienten unter bestmöglicher Symptomkontrolle auch bis zum Versterben zu Hause bleiben können. Pallium kommt aus dem Lateinischen und heißt »Ummanteln«. Dies schließt nicht nur den Patienten, sondern auch die Angehörigen mit ein und ist Teil des ganzheitlichen Ansatzes. In enger Zusammenarbeit mit dem Hausarzt und anderen beteiligten Diensten werden die auftretenden Symptome (wie Schmerzen, Atemnot oder Panik) behandelt und gelindert. Im Unterschied zur AAPV (Allgemeine Ambulante Palliativversorgung), die vom Hausarzt und Fachdiensten erbracht wird (etwa Pflegediensten), ist für die SAPV eine Verordnung des
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