Nana - der Tod traegt Pink
hin, und sicher auch schön.‹
Ich versicherte ihr, dass sie sich keine Sorgen machen müsse um Schmerzen oder Atemnot. Und dabei hoffte ich, dass wir all dem auch gerecht werden würden!«
Chris, der all die Zeit draußen gewartet hatte, sieht, wie Silke nach diesem Gespräch Nanas Zimmer verlässt:
Irgendwann kam Silke raus und hat geweint. Da habe ich mir gedacht: ›Ach du Scheiße.‹ Ich wusste nicht genau, was war, aber wenn Silke weint, dann hast du ein schlechtes Gefühl. Sicher, sie war gefühlsmäßig involviert, aber immer sehr professionell.Vor allem uns gegenüber war sie immer sehr stark, damit wir jemanden zum Ausheulen haben. Da wusste ich, jetzt ist etwas ganz Beschissenes. Dass es so beschissen ist hätte ich nicht gedacht. Ich bin rein zu Nana, und sie hat mich gebeten, dass ich mich zu ihr setze, sie konnte ja nicht mehr aufstehen. Dann hat sie mir gesagt, dass sie heimgeht, weil sie glaubt, dass es nichts mehr bringt. Sie hat mir noch erzählt dass sie eigentlich nicht weg will, dass sie gerne bei mir bleiben und mich nicht allein lassen möchte. Dann haben wir uns ewig lang umarmt – und das, obwohl sie diese starken Schmerzen hatte. Man musste nichts mehr sagen.«
Nana hat ihre Entscheidung gefällt. Nach 16 Chemotherapiezyklen, 34 Bestrahlungen, 2 Operationen und einer Schmerzbelastung, die sogar im Krankenhaus
nicht mehr kontrollierbar ist, weiß Nana, was jetzt der richtige Schritt für sie ist. Chris hat sie sich schon erklärt. Eine große Hürde steht jetzt noch bevor. Doch nicht ohne Silkes Unterstützung:
Das Gespräch mit Nana war nicht das Schwerste. Ich hatte nicht sagen müssen: Nana, es ist soweit. Das hätte ich mir auch niemals angemaßt! Sie selbst hat es gespürt und brauchte mich nur als eine Art Vehikel.Aber dann bat sie mich um etwas, womit sie mich mal wieder in ihrer Klarheit überraschte: ›Und jetzt redest du noch mit meinen Eltern.‹«
Nana wusste, wie schwer das Gespräch mit ihrer Mutter und ihrem Vater werden würde. Besonders mit Axel, aber auch mit Barbara, obwohl Nana sich mit ihr über so vieles ausgetauscht hatte. Silke hofft, dass Barbara etwas von der Absprache zwischen Nana und Silke ahnt, selbst wenn sie es nie formuliert hat. Zudem ist sie davon überzeugt, Nanas Mutter habe sich mit all diesen Fragen befasst: Was passiert bei einem Therapieabbruch? Wie begleitet man sein sterbendes Kind zu Hause?
Silke bereitet sich geistig auf den Moment vor: Der Mutter würde es zwar den Boden unter den Füßen wegziehen, aber würde es sie auch komplett aus dem Nichts treffen? Zunächst jedoch sind Silke, Barbara und Axel mit einem ganz profanen Problem beschäftigt: Wo finden sie einen Raum, in dem sie in Ruhe sprechen können?
Es ist Silvester. Die Station ist voller Besucher, der Aufenthaltsraum mit vielen Menschen besetzt. Spazieren gehen möchten die Eltern nicht, speziell wegen des regnerischen Matschwetters. So sieht Silke keine andere Möglichkeit:
Bild 83
Nana mit brauner Perücke im April 2011, fotografiert von Conny Stein:
»Nana hatte so viel Kraft! Ich dachte lange: Die macht den Krebs einfach platt, fährt wie mit einem Lkw darüber hinweg. Nana hat alle Zeit der Welt...«
Ich saß mit den Eltern mangels anderer Sitzgelegenheiten in diesem scheußlichen Aufenthaltsraum. Das Gespräch verlief genau so, wie ich es mir gedacht hatte: Nanas Mutter war enwartungsgemäß geschockt, aber eigentlich formulierte ich nur das, was sie schon in sich trug. So lautete ihre spontane Reaktion: ›Ich tue das für mein Kind. Es ist so schwer, es tut so weh, aber es ist richtig.‹ Gleich darauf folgte ihre Frage: ›Hilfst du mir?‹
Beim Vater war es ganz anders. Durch die klare und völlig richtige Rollenteilung fehlten ihm all die schockierenden Erlebnisse, die bei Barbara zum Loslassen führen konnten. Oft genug hatte sie gedacht: ›Ich möchte nie wieder, dass mein Kind so aussieht. Dass es so vor Schmerzen schreit.‹
Der Vater hatte diese Vorbereitung nicht. Natürlich war er immer involviert, aber eben nicht so nahe dran. Natürlich hat er sich damit auseinandergesetzt, dass sein Kind sterben könnte. Aber so konsequent, wie sich die Mutter in den 15 Monaten unter der Therapie von ihrer Tochter verabschieden konnte, hatte er das nicht durchlebt.«
Silke ist ratlos. Wie sollte sie Axel vermitteln, dass keinerlei Hoffnung auf Heilung besteht? Schließlich kann sie sich ja nicht absolut sicher sein, dass Nanas Entscheidung die richtige
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