Nana - der Tod traegt Pink
die sehr engagierten Palliativleute kaum mehrjemanden gesehen, obwohl wir noch zwei volle Tage in der Klinik waren. Mag sein, dass ich mir das einbilbe, aber es kam mir vor, als würde man uns meiden. Am Nachmittag des 2. Januar sollte Nana die Station für immer verlassen, war bis 16 Uhr aber immer noch nicht offiziell entlassen worden. Irgendwann wollte sie nicht mehr warten. Also fuhr ich sie im Rollstuhl aus dem Zimmer, während Axel das Auto holte.
Wir haben den ganzen Weg über den Flur keinen Menschen getroffen, obwohl dort sonst immer eifrige Betriebsamkeit herrschte. Alles wirkte – so merkwürdig es klingen mag – richtiggehend ausgestorben. Niemand verabschiedete sich von uns.
Es ist sicher nicht einfach, die richtigen Worte zu finden für eine Patientin, die zum Sterben nach Hause geht. Die üblichen Floskeln wie ›Auf Wiedersehen‹ oder ›Mach’s gut‹ erscheinen einem da ja eher unpassend. Aber Nana hätte es sicher gut getan, wenn ihr jemand ›viel Kraft‹ oder einen ›guten Weg‹ gewünscht hätte. Wahrscheinlich ist ihr so der Abschied umso leichter gefallen. Auch als ich Nana im Rollstuhl durch die große Glastür im Foyer hinaus in die Dunkelheit des Januarabends schob – Axel wartete vor der Tür bereits mit dem Wagen –, trafen wir auf niemanden. Selbst an den sonst immer bevölkerten Raucherstellen stand kein Mensch. Es war gespenstisch.«
Nana fährt heim. Endgültig. Sie schreibt am 1. Januar 2012 an Sandra Kader:
Meine liebste, allerliebste Sandra, ich schreibe dir gerade aus dem Krankenhaus. Ich werde jetzt keine weiteren Therapien mehr machen. Ich habe keine Kraft mehr... Über ein Jahr ist einfach zu lang, und die Aussichten, dass ich bei irgendeiner Therapie wieder gesund werde, sind einfach ein Witz. Ich ertrage diese ständigen Schmerzen nicht mehr. Und ich will keine Untersuchungen und Chemotherapien und den ganzen Scheiß mehr.
Ich habe mich entschieden, dass es das Beste ist, zum Sterben nach Hause zu gehen. Die Ärzte sind auch dieser Ansicht, sie können mir keine weiteren Therapien mehr anbieten. Ich hab den scheiß Kampf einfach verloren :- ( Ich weiß nicht, wie es mir die nächste Zeit daheim gehen wird, aber vielleicht sehen wir uns noch mal, das wäre schön...Ich hab dich sehr, sehr lieb.«
Nana – eine weitere Krebspatientin, für die es keine Heilung gibt. Welche Empfindungen weckt das bei Menschen, deren Beruf das Heilen ist? Serap Tari von lebensmut e. V. in Großhadern beschreibt einen emotionalen Konflikt:
Gerade bei so einer jungen Person wie bei Nana kann es auch für einen erfahrenen Arzt schwieriger sein, als wenn ein alter Mensch mit viel Geschichte geht. Dazu hängt es möglicherweise davon ab, wie viel Kraft der Arzt oder die Ärztin in dem Moment hat, sich einzugestehen: ›Ich habe es nicht geschafft, diesen jungen Menschen am Leben zu halten.‹ Allerdings sollte jemand, der in dieser Situation keine Worte findet, keinesfalls auf Biegen und Brechen nach Worten suchen, die dann möglicherweise nicht passen.«
Serap weiß, dass man allein schon mit Gesten sehr nahe bei Menschen sein kann. Damit könne man auch ein Schweigen aushalten, wenn die Worte fehlen.
Natürlich, so Serap weiter, gebe es kein allgemeingültiges Muster dafür, wie man sich am besten verhält, wenn ein Abschied im Raum steht. Allerdings:
Das Erkennen dessen ist wichtig, es zuzulassen. Dann kann eine Stimmung entstehen, die ganz besonders ist, auch ohne Worte.«
Coming home
Eine 21-jährige Frau wartet zu Hause im Kreis ihrer Familie auf den Tod. Wie muss man sich das vorstellen? Wird dort den ganzen Tag geweint? Liegt pure Verzweiflung über allem? Verfällt die Todgeweihte in Lethargie?
Bild 80
Nana am 3.1.2012:
»Ich hätte gerne einen schwarzen Sarg. Wenn möglich glänzend und innen lila. Sollte es keinen in Schwarz geben, würde auch ein weißer gehen. Aber Schwarz wäre mir lieber.«
»Sleeping Sun« von Nightwish
The sun is sleeping quietly
Once upon a century
Wistful oceans calm and red
Ardent caresses laid to rest
For my dreams I hold my life
For wishes I behold my night
The truth at the end of time
Losing faith makes a crime
I wish for this night-time
To last for a lifetime
The darkness around me
Shores of a solar sea
Oh how I wish to go down with the sun
Sleeping
Weeping
With you
Sorrow has a human heart
From my god it will depart
I’d sail before a thousand moons
Never finding where to go
Two hundred twenty-two days of
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