Nana
zurückzulassen, nach dem ganz Paris verlangte. Auch er fügte sich Nanas Bedingungen: vollständige Freiheit, Besuche an bestimmten Tagen. Er war nicht einmal so kindlich, einen Eid der Treue zu fordern. Muffat ahnte nichts. Vandeuvres hingegen wußte genau, woran er sei; doch machte er niemals die geringste Anspielung; er tat, als ob er nichts wisse, mit seinem feinen Lächeln des spöttischen Lebemannes, der nichts Unmögliches verlangt, wenn er nur seine bestimmte Stunde hat, und wenn nur ganz Paris es weiß.
Von da ab war Nanas Haus gänzlich eingerichtet. Das Personal war vollständig, in den Ställen, in der Küche, in Madames Zimmern. Zoé leitete alles und wußte, sich aus allen Verwicklungen herauszuhelfen. Es war alles geregelt wie in einem Theater oder einer großen Verwaltung, es klappte so genau, daß während der ersten Monate kein Zusammenstoß vorkam. Doch machte Madame durch ihre Unklugheiten, durch ihre unbesonnenen Streiche der Kammerfrau viele Sorgen. So kam es, daß Zoés Eifer allmählich erkaltete, besonders als sie sah, daß es für sie vorteilhafter sei, wenn Madame Dummheiten beging, die sie gutmachen mußte. Aus dem trüben Wasser fischte sie stets Louisdors.
Eines Morgens, der Graf war noch nicht fortgegangen, führte Zoé einen Herrn in das Toilettezimmer, wo Nana eben ihre Wäsche wechselte.
Schau, Zizi! rief sie verblüfft.
Es war in der Tat Georges. Als er sie im Hemde sah, das aufgelöste Goldhaar über die Schultern herabfließend, stürzte er an ihren Hals, nahm sie in seine Arme und küßte sie am ganzen Körper ab.
Sie wehrte sich erschrocken gegen diese stürmischen Liebkosungen und stammelte mit gedämpfter Stimme:
Hör doch auf. Er ist da. Das ist töricht ... Und du, Zoé, bist du verrückt? ... Führe ihn hinunter und behalte ihn unten, bis ich komme.
Zoé schob ihn vor sich her. Als Nana in den Speisesaal kam, zankte sie alle beide aus. Zoé zog sich schmollend zurück; sie glaubte, Madame gefällig zu sein, sagte sie, indem sie ihr den jungen Mann zuführte. Georges war so glücklich über das Wiedersehen mit Nana, daß seine hübschen Augen sich mit Tränen füllten. Jetzt seien die schlimmen Tage vorbei, erzählte er; seine Mama halte ihn für vernünftig und habe ihm gestattet, Fondettes zu verlassen. In Paris sei er zuerst zu seiner Geliebten geeilt, um sie zu umarmen. Er wollte nunmehr glücklich an ihrer Seite leben, wie da unten in La Mignotte, als er sie bloßfüßig in ihrem Zimmer erwartete. Während er so sprach, nahm er, in seinem Bedürfnis, nach einjähriger Trennung sie zu berühren, ihre Hand, schob die seinige unter die weiten Ärmel ihres Peignoirs und betastete ihre nackten Arme bis hinauf zu den Schultern.
Du liebst deinen Jungen wohl noch immer? fragte er mit seiner kindlichen Stimme.
Gewiß liebe ich dich, erwiderte sie, indem sie sich losmachte. Aber du kommst ganz unerwartet hereingeschneit. Du weißt, ich bin nicht frei, und du mußt Vernunft annehmen.
Georges hatte im ersten Taumel des endlich befriedigten Verlangens, sie wiederzusehen, noch nicht den Ort betrachtet, wo er sich befand. Jetzt erst merkte er die Veränderung um sich her. Er betrachtete den reich ausgestatteten Speisesaal mit der hohen verzierten Decke, den kostbaren Tapeten und dem prächtigen Silbergeschirr.
Ach ja ... sagte er dann traurig.
Sie machte ihm begreiflich, daß er niemals vormittags kommen dürfe. Nachmittags von vier bis sechs Uhr habe sie ihre Empfangsstunden. Als er sie wortlos flehend ansah, küßte sie ihn auf die Stirne und zeigte sich sehr gütig.
Sei vernünftig, ich will mein Möglichstes tun, tröstete sie ihn.
In Wahrheit flößte er ihr nur mehr mäßiges Interesse ein. Sie konnte Georges gut leiden, hätte ihn zum Kameraden haben mögen, aber nichts weiter. Doch traf es sich nicht selten, daß sie ihn, wenn sie ihn so traurig sah, erhörte; sie hielt ihn in ihren Schränken verborgen und ließ ihm die Brosamen ihrer Gunst zukommen. Er verließ das Haus gar nicht mehr und war dort heimisch wie das Schoßhündchen Bijou, mit dem er die Abfälle ihrer Zärtlichkeiten teilte.
Ohne Zweifel erfuhr Madame Hugon, daß ihr Kleiner diesem bösen Weibe wieder in die Arme gefallen war. Denn sie kam nach Paris und nahm die Hilfe ihres älteren Sohnes, des Leutnants Philipp in Anspruch, der damals zu Vincennes in Garnison lag. Georges, der sich vor seinem älteren Bruder verborgen hatte, war in Verzweiflung; er fürchtete irgendeinen Gewaltstreich, und da
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