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Nana

Titel: Nana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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einzutreten wie jeder andere.
    Der Graf war bestürzt.
    Aber meine Liebe ... stammelte er.
    War's etwa, weil ich Besuch hatte? Nun ja, es waren Herren bei mir. Was glauben Sie denn, daß ich mit diesen Herren mache? ... Wenn man solche Manieren eines zurückhaltenden Liebhabers annimmt wie Sie, bringt man nur eine Frau ins Gerede, und ich will nicht, daß man von mir spricht.
    Nur mit Mühe erlangte er ihre Verzeihung. Im Grunde war er entzückt. Durch ähnliche Szenen machte sie ihn geschmeidig und erhielt in ihm die Überzeugung von ihrer Treue. Seit langer Zeit hatte sie ihn daran gewöhnt, sich Georges gefallen zu lassen, »diesen Knaben, der sie amüsierte«, wie sie sagte. Sie lud nun den Grafen mit Philipp zugleich zum Essen; der Graf zeigte sich sehr liebenswürdig und nahm nach Tisch den Arm des jungen Mannes, um sich nach dem Befinden von Madame Hugon zu erkundigen. Von diesem Tage an gehörten die beiden Brüder Hugon, Graf Vandeuvres und Graf Muffat offen zu den Freunden des Hauses, die einander die Hände reichten, sooft sie sich trafen. Das war so bequemer. Muffat allein bewahrte noch so viel Zurückhaltung, daß er nicht allzu oft kam und den förmlichen Ton eines fremden Besuchers beibehielt. Wenn er zur Nachtzeit mit ihr allein war und sie, auf den Bärenfellen sitzend, sich langsam die Strümpfe auszog, plauderte er sehr freundschaftlich von diesen Herren, besonders von Philipp, der die Redlichkeit selbst sei.
    Gewiß, es sind recht artige Leute, sagte Nana, das Hemd wechselnd. Allein, sie sehen dennoch, wer ich bin ... Ein Wort von dir, und ich weise der ganzen Gesellschaft die Türe.
    Trotz allem Luxus langweilte sich indes Nana zum Sterben. Sie hatte Männer für jede Minute der Nacht, und soviel Geld, daß es selbst in den Schubfächern des Toilettentisches, unter Kämmen und Bürsten herumlag. All das befriedigte sie nicht; sie fühlte eine unbestimmte Leere. Ihr Leben zog sich ohne Beschäftigung hin; die Stunden verrannen in abwechslungsreicher Eintönigkeit. Der nächste Tag existierte für sie nicht; sie lebte wie der Vogel, der seiner Atzung sicher ist und auf dem erstbesten Zweige sein Köpfchen zur Ruhe legt. Diese Gewißheit, daß sie ernährt werde, bewog sie, tagelang in müßiger Trägheit, auf ihren weißen Pfühlen hingestreckt, zuzubringen. Da sie das Haus nur zu Wagen verließ, verlor sie allmählich den Gebrauch der Beine. Sie kehrte zu ihren Launen aus der Backfischzeit zurück; küßte Bijou vom Morgen bis zum Abend und vertrieb sich die Zeit oft mit unsinnigen Vergnügungen, immerfort den Mann erwartend, dessen Herrschaft sie mit schlaffer Gutmütigkeit ertrug. Inmitten dieser Selbstvergessenheit bewahrte sie nur eine Sorge: die um ihre Schönheit; die Sorge, sich fortwährend überall zu beschauen, zu waschen, zu parfümieren, stolz darauf, daß sie jeden Augenblick und vor wem immer sich ohne Erröten nackt ausziehen könne.
    Um zehn Uhr morgens erwachte sie aus dem Schlafe. Gewöhnlich wurde sie durch Bijou, den schottischen Pintscher geweckt, der ihr das Gesicht ableckte. Dann wurde fünf Minuten mit dem Hündchen gespielt, das ihr über die nackten Arme und Schenkel lief, was den Grafen sehr verdroß. Bijou war das erste Männchen, auf das er eifersüchtig war; es sei unschicklich, sagte er, daß ein Tier so die Nase unter die Bettdecke stecke. Dann ging Nana in ihr Toilettenzimmer, wo sie ein Bad nahm. Gegen elf Uhr kam Francis, um ihr die Haare aufzustecken; die eigentliche Frisur folgte erst nachmittags. Zum Frühstück lud sie, da sie nicht gerne allein speiste, gewöhnlich Madame Maloir ein, die vormittags mit ihren verrückt geformten Hüten aus unbekannten Gegenden auftauchte und abends in den nämlichen unbekannten Gegenden verschwand, ohne übrigens ihre Bekannten allzusehr besorgt zu machen. Die schwerste Zeit waren die zwei, drei Stunden zwischen dem Frühstück und der Toilette. Gewöhnlich schlug sie ihrer alten Freundin eine Partie Bezigue vor; zuweilen las sie im »Figaro« die Theater und gesellschaftlichen Nachrichten; ja, es geschah sogar hier und da, daß sie in einer literarischen Anwandlung ein Buch zur Hand nahm. Die Toilette beschäftigte sie nahezu bis fünf Uhr. Dann erst erwachte sie aus der langen Schläfrigkeit. Entweder machte sie eine Ausfahrt oder sie empfing Herrenbesuch. Nicht selten speiste sie auch in der Stadt, worauf sie dann sehr spät zu Bette ging, um am folgenden Tage die nämliche ermüdende, ewig gleiche Existenz zu beginnen.

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