Nana
acht Pferde, in der Remise fünf Wagen, darunter ein Landauer mit Silberverzierungen, von dem eine Zeitlang ganz Paris sprach. Und Nana befand sich wohl inmitten dieser Pracht. Sie hatte nach der dritten Aufführung der »Kleinen Herzogin« das Theater verlassen und überließ Bordenave, der, trotzdem er den Grafen tüchtig gerupft, vom Bankerott bedroht war, seinem Schicksale. Doch blieb eine gewisse Bitterkeit über ihren Mißerfolg zurück. Sie fügte diesen Schlag der von Fontan erhaltenen Lehre hinzu, eine Gemeinheit, für die sie alle Männer verantwortlich machte. Jetzt, meinte sie, sei sie gewappnet gegen alle Liebesdummheiten. Doch Rachegedanken beschäftigten ihren leichtfertigen Sinn nicht lange. Es blieb bei ihr nichts zurück als ein unersättlicher Hunger nach Ausgaben, eine natürliche Verachtung des Mannes, der bezahlte, eine fortwährende Laune zu verzehren und zu verderben, ein gewisser Stolz über den Ruin ihrer Liebhaber.
Vor allem stellte sich Nana mit dem Grafen auf guten Fuß; sie vereinbarte mit ihm genau das Programm ihrer gegenseitigen Beziehungen. Er sollte monatlich zwölftausend Franken geben, die Geschenke ungerechnet, und dafür nichts verlangen als absolute Treue. Sie schwur ihm Treue. Doch forderte sie gewisse Rücksichten, eine vollständige Freiheit in ihrer Eigenschaft als Hausfrau, Achtung ihres Willens. Sie werde alle Tage ihre Freunde empfangen, und überhaupt in allen Dingen unbedingtes Vertrauen zu ihr haben. Wenn er bei solchen Bedingungen, von einer unbestimmten Eifersucht ergriffen, zögerte, spielte sie die Würdevolle, drohte, ihm alles zurückzugeben, oder schwur beim Haupte des kleinen Ludwig. Das mußte ihm genügen. Ohne Achtung keine Liebe. Nach Verlauf eines Monates noch achtete sie der Graf. Doch sie wollte und verlangte noch mehr. Bald gewann sie in aller Gutmütigkeit einen großen Einfluß auf ihn. Wenn er in verdrießlicher Laune kam, erheiterte sie ihn, ließ ihn beichten und tröstete ihn.
Nach und nach beschäftigte sie sich mit den Angelegenheiten seines eigenen Hauses, mit seiner Frau, seiner Tochter, seinem Herzen und Geldangelegenheiten immer in vernünftiger, ehrbarer Weise. Nur einmal ließ sie sich von ihrer Leidenschaft fortreißen, es war an dem Tage, als er ihr im Vertrauen mitteilte, daß Daguenet im Begriffe stehe, um die Hand der Komtesse Estella anzuhalten. Seitdem der Graf aus seinem Verhältnis zu Nana kein Hehl mehr machte, glaubte Daguenet mit der Dirne brechen zu müssen; er behandelte sie als Gaunerin und schwur, er werde seinen Schwiegervater den Krallen dieser Kreatur entreißen. Sie vergalt ihm dies, indem sie von ihrem ehemaligen Mimi vor dem Grafen eine erbauliche Schilderung entwarf: Daguenet sei ein Frauenjäger, der sein Vermögen mit Weibern schlimmster Sorte vergeudet habe. Er habe keinen sittlichen Halt; denn obgleich er sich kein Geld schenken lasse, lebe er doch auf Kosten anderer, indem er selbst nur von Zeit zu Zeit einen Strauß oder ein Essen gebe. Als sie sah, daß der Graf die kleinen Schwächen zu entschuldigen schien, sagte sie ihm rundheraus, daß Daguenet sie gehabt habe und erzählte widerliche Einzelheiten. Muffat wurde bleich. Es war nicht mehr die Rede von dem jungen Mann.
Indessen noch war das Hotel nicht vollständig eingerichtet, da ereignete es sich einmal, daß Nana eines Abends, als sie dem Grafen Muffat die energischesten Liebesversicherungen gegeben, den Grafen Xavier de Vandeuvres zurückbehielt, der ihr seit zwei Wochen hartnäckig den Hof machte. Sie tat es nicht etwa aus Neigung für den Grafen, sondern mehr, um sich einen Beweis zu geben, daß sie wirklich frei sei. Das Interesse kam erst hinterher, als Vandeuvres ihr am folgenden Tage behilflich war, eine Rechnung zu bezahlen, von der sie dem andern nichts sagen wollte. Sie dachte, ohne Schwierigkeit acht- bis zehntausend Franken monatlich aus ihm zu ziehen; das werde ein sehr nützliches Taschengeld sein. Graf Vandeuvres war damals im besten Zuge, in fieberhafter Leidenschaft den Rest seines Vermögens zu vergeuden. Seine Pferde und Lucy hatten ihm drei Landgüter gekostet; jetzt kam Nana hinzu, um sein letztes Schloß, das er in der Nähe von Amiens besaß, zu verschlingen. Er schien von einer wahren Wut besessen zu sein, alles blank zu fegen bis auf die Reste jenes alten Turmes, den ein Vandeuvres unter Philipp August erbaute; er fand den Gedanken ergötzlich, die letzten goldenen Fetzen seines Wappenschildes in den Händen dieses Mädchens
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