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Nana

Titel: Nana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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der bei Madame ist?
    Ja, sagte der Jüngling mit stockender Stimme.
    Neues Stillschweigen.
    Und das beunruhigt Sie. Wie, Herr Georges?
    Gewiß, brachte er mühsam hervor.
    Zoé beeilte sich nicht; sie faltete langsam Spitzen zusammen und sagte dann:
    Sie haben unrecht ... Madame wird alles ordnen.
    Damit war die Unterhaltung zu Ende. Doch verließ die Kammerfrau das Zimmer nicht. Sie hatte etwa noch eine Viertelstunde im Zimmer zu tun, ohne die wachsende Angst des jungen Mannes zu bemerken.
    Was konnten die da drinnen so lange machen? fragte er sich, scheue Blicke nach der Salontüre werfend. Vielleicht weint Nana gar ... Philipp hat sich vielleicht in seiner rücksichtslosen Weise zu Tätlichkeiten hinreißen lassen ... Als Zoé endlich ging, eilte er an die Türe, um zu lauschen. Was er vernahm, machte ihn sprachlos. Da drin war man sehr heiter; man hörte zärtliche Stimmen flüstern und das erstickte Gelächter einer Frau, die gekitzelt wird. Das dauerte übrigens nicht lange, denn bald hörte man, wie Nana den Leutnant bis zur Treppe hinausbegleitete und dort in herzlichen Worten sich von ihm verabschiedete.
    Als Georges es endlich wagte, in den Salon wieder einzutreten, fand er Nana vor dem Spiegel.
    Nun? fragte er.
    Was nun? fragte sie, ohne sich umzuwenden.
    Dann fügte sie nachlässig hinzu:
    Dein Bruder ist ein recht artiger Mensch.
    Also ist alles in Ordnung?
    O, freilich! Alles ist in Ordnung ... Was bedeutet übrigens diese Frage? Man sollte glauben, wir hätten einander prügeln wollen ...
    Georges begriff nicht. Er stammelte verlegen:
    Mir schien, als ... Hast du nicht geweint?
    Geweint, ich? Du träumst ... Warum soll ich geweint haben?
    Nun machte sie dem Knaben eine Szene, weil er ungehorsam gewesen und hinter der Türe spioniert hatte. Er ließ sich ruhig auszanken und näherte sich ihr mit unterwürfiger Schmeichelei, um zu erfahren, was es gegeben.
    Also mein Bruder ...?
    Dein Bruder hat sofort gesehen, woran er ist ... Du verstehst mich; es hätte ja sein können, daß du es mit einer gewöhnlichen Dirne zu tun hast, dann wäre sein Einschreiten durch dein Alter und die Familienehre wohl erklärlich. Ich weiß diese Gefühle zu würdigen ... Aber ein Blick hat ihm genügt. Er hat sich als Mann von Welt betragen. Sei daher unbesorgt; es ist alles in Ordnung, und er wird deine Mama beruhigen.
    Dann fügte sie lachend hinzu:
    Du wirst übrigens deinen Bruder hier öfter sehen. Ich habe ihn eingeladen und er wird öfter kommen.
    Er wird öfter kommen, sagte der Kleine erbleichend.
    Sie sprach nicht weiter von Philipp. Sie kleidete sich an, um auszugehen, und er betrachtete sie mit seinen großen, traurigen Augen. Er war gewiß sehr froh darüber, daß die Dinge beigelegt wurden, denn er hätte der Trennung von Nana den Tod vorgezogen. Aber im Grunde seines Herzens empfand er einen unbestimmten Schmerz, eine Beklemmung, von der er sich keine Rechenschaft zu geben vermochte, und von der er nicht zu sprechen wagte. Er erfuhr nie, in welcher Weise Philipp die Mutter beruhigt hatte. Drei Tage später kehrte sie zufrieden nach Fondettes zurück. Am selben Abende schreckte er zusammen, als Franz den Leutnant anmeldete. Philipp benahm sich heiter, scherzend und behandelte Georges als unbesonnenen Knaben, dem man einen Streich, der keine ernsten Folgen hat, gern verzeiht. Georges vermochte die Beklemmung nicht los zu werden; er wagte kaum, sich zu rühren, und errötete bei jedem Wort wie ein junges Mädchen. Er hatte wenig mit dem um zehn Jahre älteren Bruder verkehrt; er fürchtete ihn wie einen Vater, vor dem man die Weibergeschichten verheimlicht. Er empfand denn auch Scham und Unbehagen, als er sah, wie sein von Gesundheit und Kraft strotzender Bruder sich Nana gegenüber so frei und mit ungebundener Heiterkeit benahm. Da aber sein Bruder fast jeden Tag bei Nana erschien, gewöhnte sich Georges allmählich an diese Lage. Nana strahlte vor Freude und Stolz darüber, daß es ihr gelungen war, inmitten der Pracht dieses Hauses noch diese Form von galantem Leben zu führen.
    Als eines Nachmittags die Brüder Hugon da waren, erschien der Graf zu ungewohnter Stunde. Als ihm Zoé sagte, Madame habe Besuch, zog er sich zurück und wollte nicht eintreten, wobei er den zurückhaltenden Liebhaber spielte.
    Als er am Abend wiederkam, empfing ihn Nana mit dem kalten Zorne eines verratenen Weibes.
    Mein Herr, sagte sie, ich habe Ihnen keinen Grund gegeben, mich zu beschimpfen. Wenn ich zu Hause bin, bitte ich Sie

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