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Nana

Titel: Nana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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keine Lust, in das Toilettezimmer zu gehen. Sie rief selbst hinaus:
    Treten Sie ein, Francis!
    Ein gut gekleideter Herr trat ein und grüßte. Nana stieg mit nackten Beinen aus dem Bett. Sie beeilte sich dabei nicht und streckte die Arme aus, damit Zoé ihr den Frisiermantel anziehen könne. Francis, dem die Szene offenbar behagte, nahm eine würdige Miene an und wartete, ohne sich umzuwenden. Nachdem sie Platz genommen und er mit dem Kamm einmal durch ihr Haar gefahren war, sagte er:
    Madame haben vielleicht die Zeitungen noch nicht gelesen ... Der Figaro bringt einen sehr guten Artikel.
    Er hatte eine Nummer des Blattes mitgebracht. Madame Lerat setzte ihre Brille auf, stellte sich ans Fenster und las den Artikel laut vor. Sie richtete sich mit ihrer Gendarmengestalt auf, ihre Nase wurde spitz, wenn sie ein galantes Beiwort zu lesen hatte. Es war ein Artikel aus Faucherys Feder, unmittelbar nach der Vorstellung geschrieben; zwei Spalten, sehr warm gehalten, von geistreicher Bosheit gegen die Künstlerin, von brutaler Bewunderung für das Weib.
    Ausgezeichnet, bemerkte Francis wiederholt.
    Nana machte sich über die Komplimente lustig, die in dem Artikel ihrer Stimme gemacht wurden. Fauchery sei übrigens ein netter Mensch, dem sie sich für seine Artigkeit dankbar zeigen werde. Madame Lerat erklärte, nachdem sie den Artikel noch einmal gelesen: die Männer hätten sämtlich den Teufel in den Beinen. Sie war von dieser Anspielung sehr befriedigt und verweigerte jede nähere Aufklärung darüber. Francis hatte inzwischen die Frisur Nanas vollendet. Er grüßte und sagte:
    Ich werde heute auf die Abendblätter achten. Ich soll, wie gewöhnlich um fünfeinhalb Uhr kommen, nicht wahr?
    Bringen Sie mir einen Tiegel Pomade und ein Pfund Krachmandeln mit, rief ihm Nana nach.
    Die beiden Frauen, die nun allein waren, erinnerten sich, daß sie einander noch nicht umarmt hätten, und küßten einander sehr geräuschvoll. Der Artikel hatte sie erhitzt. Nana, bisher noch halb schlaftrunken, wurde wieder von dem Fieber ihres Triumphes erfaßt. Ah! Rosa Mignon wird heute einen bösen Tag haben. Da die Lerat es gestern abgelehnt hatte, ins Theater zu gehen, weil sie, wie sie sagte, solchen Aufregungen nicht gewachsen war, begann Nana, ihr von ihrem Triumph zu erzählen, wie ganz Paris zu ihren Füßen gelegen habe. Dann unterbrach sie sich plötzlich und fragte, ob man das geglaubt habe, zur Zeit, da sie noch in der Goldtropfengasse umhergestrichen? Madame Lerat schüttelte den Kopf: Nein, niemals habe man das voraussehen können. Dann ergriff sie das Wort, wobei sie eine ernste Miene annahm und Nana ihre liebe Tochter nannte. Sie war ihre zweite Mutter, seitdem ihre Mutter dem Papa und der Großmama nachgefolgt war. Nana war sehr gerührt und nahe daran, in Tränen auszubrechen. Madame Lerat sagte, die Vergangenheit sei vorbei, man dürfe nicht daran denken. Oh, es sei eine schmutzige Vergangenheit! Dinge, von denen man gar nicht reden solle ... Sie habe ihre Nichte lange Zeit nicht gesehen; man sage in der Familie, sie erniedrige sich durch den Verkehr mit diesem Geschöpf. Doch das sei unmöglich; sie forsche auch nicht nach ihrer Lebensweise; sie habe sich gewiß stets anständig betragen. Es genüge ihr, daß sie sie jetzt in einer gesicherten Stellung finde und daß sie ihrem Kinde eine zärtliche Mutter sei. Es gehe nichts über die Rechtschaffenheit und Arbeit.
    Von wem ist denn das liebe Kind? fragte sie dann plötzlich mit lebhafter Neugierde.
    Nana war überrascht von dieser Frage und sagte dann nach einigem Zögern:
    Von einem feinen Herrn.
    Schau, schau, bemerkte die Tante; man sagte, es sei von einem Maurer, der dich prügelte ... Du wirst mir das eines Tages erzählen; du weißt, ich bin verschwiegen. Ich will dein Kind pflegen, als ob es ein Prinz ist.
    Madame Lerat hatte sich von ihrer Beschäftigung, sie war Blumenmacherin gewesen, zurückgezogen und lebte jetzt von ihren Ersparnissen, sechshundert Franken Rente, Sou für Sou zusammengescharrt. Nana versprach, ihr eine hübsche kleine Wohnung zu mieten und überdies ihr monatlich hundert Franken zu geben. Die Tante war außer sich vor Freude und umarmte ihre Nichte. Sie riet ihr, die Männer nur tüchtig zu schröpfen, da sie sie nun einmal in ihrer Gewalt habe. Nana lenkte das Gespräch auf Ludwig und schien durch eine plötzliche Erinnerung wieder traurig gestimmt zu werden.
    Das ist dumm, brummte sie, ich muß um drei Uhr ausgehen.
    Zoé trat ein und meldete,

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