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Nana

Titel: Nana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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seinem Käfig hervorgezogen, wo er Haarwickel gedreht hatte, anstatt das Zeitwort »lieben« zu konjugieren. Zum Schluß gab es eine Verherrlichung: der Chor der Hahnreie lag auf den Knien und sang eine Hymne zu Ehren der Venus, die lächelnd und siegreich in ihrer machtvollen Nacktheit dastand.
    Die Zuschauer hatten schon ihre Plätze verlassen und eilten den Ausgängen zu. Man rief die Verfasser des Stückes und klatschte Nana zweimal vor die Rampe. Noch war der Saal nicht ganz leer, als er sich schon zu verdunkeln begann. Die Gasflammen der Rampe wurden ausgelöscht, der Leuchter herabgelassen. Lange Hüllen von grauer Leinwand wurden über die Logen und den Goldzierat der Galerie gebreitet. Der eben noch so heiße und geräuschvolle Saal verfiel plötzlich in tiefe Stille, während ein Geruch von Schimmel und Staub aufstieg. Die Gräfin Muffat stand, in ihr Pelzwerk eingehüllt, an der Brüstung ihrer Loge und blickte, das Fortgehen der Menge erwartend, in den dunklen Saal hinab.
    In den Gängen stieß man die Türschließerinnen hin und her, die in dem Haufen durcheinander geworfener Oberkleider den Kopf verloren, Fauchery und La Faloise hatten sich beeilt, um bei dem Ausgang des Theaters die Fortgehenden zu mustern. In der ganzen Länge des Vorraums bildeten die Herren Spalier, um die von den beiden Treppen sich langsam herabwälzende dichte Masse vorbeigehen zu lassen. Steiner war, von Mignon geschleppt, unter den ersten fortgegangen. Der Graf Vandeuvres entfernte sich mit Blanche de Sivry am Arme. Gaga und ihre Tochter schienen einen Augenblick in Verlegenheit zu sein; allein Labordette beeilte sich, ihnen einen Wagen zu holen und schloß auch galant den Wagenschlag hinter ihnen. Niemand sah Daguenet weggehen. Der Schüler, der im Orchester sein Nachbar gewesen, lief mit glühenden Wangen in die Panoramen-Passage, entschlossen, dort die Künstler abzuwarten. Allein er fand die Gittertür geschlossen. Hier stieß er auf Satin, die auf dem Trottoir stand und ihn herausfordernd streifte. Doch er wies sie schroff zurück und verschwand, die Augen vom Verlangen leuchtend, in der Menge. Viele Zuschauer brannten ihre Zigarren an und entfernten sich trällernd:
    Wenn Venus am Abend herumstreicht ...
    Satin kehrte ins Café des Varieté zurück, wo August ihr die Zuckerstückchen gab, die von den Gästen zurückgelassen wurden. Ein dicker Mensch, der das Theater ganz erhitzt verließ, nahm sie endlich mit sich und verschwand mit ihr im Dunkel der immer stiller werdenden Boulevards.
    Aus dem Theater kamen noch immer Leute. La Faloise erwartete Clarisse. Fauchery hatte Lucy Stewart versprochen, sie, Caroline Héquet und deren Mutter abzuholen. Sie kamen endlich herab und besetzten einen ganzen Winkel des Vorraums, wo sie laut lachend standen, als die gräfliche Familie Muffat mit eisigen Mienen vorbeikam. Bordenave trat aus einer kleinen Tür und erhielt von Fauchery das förmliche Versprechen, daß dieser einen Artikel über das neue Stück schreiben werde. Der Direktor war in Schweiß gebadet. Sein Gesicht erstrahlte in Wonne. Der Erfolg schien ihn trunken gemacht zu haben.
    Zweihundert Vorstellungen sind sicher, sagte La Faloise. Ganz Paris wird in Ihr Theater strömen.
    Allein Bordenave schien wieder in Zorn zu geraten.
    Er wies mit einer schroffen Bewegung seines Kinns auf die Menge, die den Vorraum erfüllte, auf diese Masse von Männern mit trockenen Lippen und leuchtenden Augen, brennend von der Begierde nach Nana, und schrie heftig:
    Sag' doch: in mein Bordell! Eigensinniger ...
     
Fußnoten
     
    1 Eine Gattung tieferer Logen.
     
     
Zweites Kapitel.
    Am folgenden Morgen um zehn Uhr schlief Nana noch. Sie bewohnte das zweite Stockwerk eines großen neuen Hauses auf dem Boulevard Haußmann. Der Eigentümer des Hauses vermietete seine Wohnungen bis sie trocken wurden an alleinstehende Damen. Ein reicher Kaufmann aus Moskau, der nach Paris gekommen war, um daselbst einen Winter zuzubringen, hatte Nana diese Wohnung eingerichtet und den Mietzins auf ein halbes Jahr vorausbezahlt. Die Wohnung war zu groß für sie und war deshalb auch nie vollständig möbliert worden. Gegenstände von schreiendem Luxus, wie vergoldete Tischchen und Sessel standen dicht neben allerlei Trödelkram wie Mahagonitischchen und Kandelaber aus bronziertem Zink. Es war eben die Wohnung eines Geschöpfes, das von seinem ersten Liebhaber zu früh fallen gelassen, in die Hände aussaugender Zuhälter geraten war. Das ganze Hauswesen sah nach

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