Nana
die Karten zu stürzen, entschloß sie sich, den Platz zu räumen. Sie nahm die Karten mit, ohne das Spiel zu zerstören; Madame Lerat nahm die Likörflasche, die Gläser und die Zuckerdose. So zogen sie sich in die Küche zurück, wo sie, zwischen Wischlappen, die zum Trocknen dalagen, und dem mit schmutzigem Wasser angefüllten Eimer sitzend, an der Ecke eines Tisches ihr Spielchen fortsetzten. Als Zoé in die Küche zurückkehrte, fand sie sie wieder in ihr Spiel versunken.
Wer ist gekommen? fragte Madame Maloir nach einer Weile.
Niemand! erwiderte die Zofe geringschätzig. Ein kleiner, junger Mensch ... Ich wollte ihn fortschicken, aber er ist so hübsch mit seinem bartlosen Mädchengesicht und seinen blauen Augen, daß ich ihn doch warten hieß ... Er hält einen riesigen Strauß in Händen, den er um keinen Preis weglegen will. Man ist versucht, ihm den Hintern einzupfeffern; es ist sicher ein entlaufener Schulbub'.
Madame Lerat holte eine Flasche Wasser, um einen Grog zu bereiten. Die in Kaffee getauchten Zuckerstückchen hatten ihr Durst gemacht. Zoé brummte, sie müsse auch einen Schluck trinken. Ihr Mund sei gallbitter, sagte sie.
Wo haben Sie ihn hingesteckt?
Ins letzte Kabinett, das unmöblierte Zimmer. Es steht dort nichts als ein Koffer von Madame und ein Tisch. Dorthin stecke ich die ungehobelten Gläubiger.
Sie zuckerte sich ein Glas Grog, als die elektrische Klingel wieder ertönte.
Kreuzdonnerwetter! fluchte sie, will man einen nicht einmal ruhig einen Grog trinken lassen! Das kann gut werden, wenn das Läuten jetzt schon beginnt.
Sie lief aber doch hinaus.
Als sie zurückkam, sagte sie, den fragenden Blick der Maloir beantwortend:
Ein Blumenstrauß, sonst nichts.
Die drei Frauen tranken einander zu, dann räumte Zoé langsam die Tafel ab.
Draußen ertönte die Klingel noch zweimal. Zoé berichtete jedesmal:
Ein Blumenstrauß, sonst nichts.
Sie erzählte dann zum Ergötzen der beiden Alten, wie die Gläubiger draußen im Vorzimmer die Hälse reckten, als die Blumen gebracht wurden. Madame wird alle diese Sträuße auf ihrem Toilettetisch finden. Schade, daß diese kostspieligen Dinger zu nichts wert sind. Das Geld ist rein hinausgeworfen.
Ich wäre mit dem Geld zufrieden, das die Männer in Paris täglich für Blumen für die Frauen hinauswerfen, bemerkte Madame Maloir.
Sie sind sehr bescheiden, brummte Frau Lerat, man könnte auch mit dem Bindfaden zufrieden sein, der zu diesen Sträußen verwendet wird.
Es war dreiviertel auf vier Uhr geworden. Zoé war erstaunt über das lange Ausbleiben ihrer Herrin. Madame pflegt sonst solche Nachmittagsausgänge sehr kurz abzutun.
Madame Maloir bemerkte, die Dinge gingen nicht immer so, wie man wolle.
Ja, es gibt viel Widerwärtigkeiten im Leben, fügte Frau Lerat hinzu. Es wäre übrigens das Beste zu warten. Ihre Nichte sei gewiß durch Geschäfte zurückgehalten. Übrigens sei man ja in der Küche nicht schlecht aufgehoben.
Die Klingel ertönte wieder.
Zoé kam aufgeräumt zurück.
Kinder, der dicke Steiner ist da, sagte sie im Flüstertone. Den habe ich im kleinen Salon untergebracht.
Frau Maloir gab der Frau Lerat, die diesen Herrn nicht kannte, Aufschlüsse über den Bankier.
Sollte er Rosa Mignon im Stiche gelassen haben? fragte sie dann.
Zoé nickte und meinte, sie könne darüber manches erzählen. Doch sie mußte wieder hinaus, denn es wurde wie der geläutet.
Nun, da ist uns ein Stein ins Haus gefallen, sagte sie, als sie zurückkehrte. Der Zigeuner ist da. Vergebens wiederholte ich ihm, daß Madame ausgegangen sei. Er hat sich im Schlafzimmer festgesetzt. Wir haben ihn erst für heute abend erwartet.
Um einviertel auf fünf Uhr war Nana noch nicht zurück. Wo mochte sie nur bleiben? Die Sache war unbegreiflich. Es kamen noch zwei Sträuße. Zoé bereitete den beiden Alten, die über ihren Karten einzuschlafen drohten, Kaffee. Es schlug halb fünf. Entschieden mußte Madame etwas zugestoßen sein. Die drei Frauen flüsterten untereinander. Plötzlich hörte man hastige Schritte von der Hintertreppe her. Endlich war Nana da. Man hörte ihren keuchenden Atem, noch bevor sie die Tür geöffnet hatte. Sie war sehr rot und aufgeregt. Ihr Rock, von dem die Spangen abgesprungen waren, fegte die Treppe; die Spitzen hatte sie durch eine Pfütze geschleppt, die vom ersten Stockwerk hinabgeschüttet worden war.
Gott sei Lob, daß du endlich da bist! rief die Lerat. Du läßt die Leute nicht übel warten.
Madame handelt wirklich
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