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Nana

Titel: Nana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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einem verfehlten Anfang aus, der an Kreditverweigerungen und Pfändungsandrohungen gescheitert war.
    Nana schlief mit dem Rücken nach oben und umklammerte mit den nackten Armen das Kissen, in welches sie ihr vom Schlafe blasses Gesicht drückte. Der Schlafraum und das Toilettezimmer waren die einzigen zwei Räume, die durch einen Tapezierer des Stadtviertels mit Sorgfalt eingerichtet waren. Bei dem matten Lichte, das durch den Vorhang eindrang, sah man Möbel aus Palisanderholz, Sessel und Vorhänge aus gesticktem Damast, große blaue Blumen auf grauem Grunde. Nana fuhr plötzlich aus dem Schlafe auf, gleichsam erschrocken über die Leere an ihrer Seite. Sie blickte auf das Kopfkissen, das neben dem ihrigen lag, auf dem noch der warme Eindruck eines Kopfes zu sehen war. Sie drückte auf den Knopf der elektrischen Klingel.
    Ist er fort? fragte sie das eintretende Kammermädchen.
    Ja, Madame. Herr Paul hat sich vor zehn Minuten entfernt. Madame waren sehr ermüdet, darum wollte er Sie nicht wecken, er hat mich beauftragt, Madame mitzuteilen, daß er morgen wiederkommt.
    Inzwischen hatte Zoé, die Kammerfrau, die Vorhänge zurückgezogen. Das helle Sonnenlicht fiel ins Zimmer.
    Zoé war eine Brünette mit glatt gescheiteltem Haar, langem, bleichem, narbigem Gesicht, platter Nase, dicken Lippen und schwarzen, stets beweglichen Augen, ein wahres Hundegesicht.
    Morgen, morgen ... wiederholte Nana, die noch nicht völlig wach zu sein schien. Ist das sein Tag ... morgen?
    Ja, Madame, Herr Paul ist immer am Mittwoch gekommen!
    Ach ja, ich erinnere mich, rief Nana und setzte sich im Bette auf. Jetzt ist aber alles anders ... Ich wollte es ihm heute sagen ... Er würde ja morgen mit dem Zigeuner zusammentreffen, und wir hätten eine schöne Geschichte.
    Madame haben mich nicht verständigt, ich konnte also nichts davon wissen. Wenn Madame die Tage verändern, so werden Sie gut daran tun, mich auch davon zu verständigen, damit ich weiß, woran ich mich zu halten habe ... Der alte Filz kommt also nicht mehr am Dienstag?
    Unter vier Augen benannten sie mit diesen Namen »Zigeuner« und »alter Filz« jene zwei Männer, die gegenwärtig den Haushalt bestritten; einen Kaufmann aus der Vorstadt Saint-Denis mit sparsamen Neigungen und einen Walachen, der sich für einen Grafen ausgab und dessen unregelmäßig einfließendes Geld einen seltsamen Duft hatte. Daguenet kam an den Tagen nach dem alten Filz; da der Kaufmann um acht Uhr schon zu Hause sein mußte, wartete der junge Mann in der Küche, bis der andere sich entfernte und nahm dann den noch warmen Platz ein. Er und Nana fanden dies sehr bequem.
    Um so schlimmer, sagte Nana endlich. Ich werde ihm heute nachmittag schreiben. Wenn er meinen Brief nicht erhält, wirst du ihn morgen nicht einlassen.
    Zoé trippelte inzwischen leise im Zimmer umher. Sie sprach dabei von dem großen Erfolge des gestrigen Abends. Madame habe so viel Talent gezeigt; sie habe so wunderbar schön gesungen! Oh, Madame könne nunmehr über ihre Zukunft beruhigt sein!
    Nana, mit dem Ellbogen auf das Kissen gestützt, antwortete nur mit wiederholtem Kopfnicken. Ihr Hemd war hinabgeglitten, die aufgelösten Haare fielen wirr über ihre nackten Schultern.
    Gewiß, gewiß! murmelte sie. Aber was fange ich an, bis meine Zeit kommt? Ich werde sicherlich heute wieder allerlei Scherereien haben ... Ist der Hausbesorger wieder da gewesen?
    Sie begannen über ernste Dinge zu sprechen. Man war für drei Quartale die Miete schuldig, der Hauseigentümer drohte mit der Pfändung. Außerdem war da eine Menge von ungestüm drängenden Gläubigern: ein Wagenvermieter, eine Wäschelieferantin, ein Schneider, ein Kohlenhändler, und noch andere Leute, die sich täglich auf einer Bank im Vorzimmer festsetzten. Besonders schrecklich war der Kohlenhändler, der immer auf der Treppe einen Heidenlärm machte. Den größten Kummer aber hatte Nana wegen des kleinen Ludwig, eines Kindes, das sie mit sechzehn Jahren bekommen und bei einer Amme in einem Dorfe in der Umgebung von Rambouille untergebracht hatte. Das Weib hatte dreihundert Franken zu fordern, ehe sie den Kleinen zurückgab. Seit ihrem letzten Besuche bei dem Kinde litt Nana unter einem Anfall von Mutterliebe. Sie hatte die fixe Idee, das Kind zurückzunehmen und es zu ihrer Tante, der Frau Lerat in Batignolles zu geben, wo sie es besuchen konnte, so oft es ihr beliebte. Die Kammerzofe meinte, Madame habe dem alten Filz alles anvertrauen sollen.
    Ach, ich hab' ihm ja alles

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