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Nana

Titel: Nana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Madame de Chantereau gab dagegen Latinville den Vorzug. Das Gespräch wurde leiser; eine gewisse Mattigkeit lagerte sich über den Salon. Steiner hielt den Abgeordneten in einer Sofaecke fest und bearbeitete ihn wieder mit seinen Fragen. Herr Venot, dem das Zuckerwerk die Zähne verdorben haben mußte, aß Kuchen Stück für Stück mit dem leisen Knuspern einer Maus. Der Bürochef hatte die Nase in eine Tasse gesteckt und schien damit gar nicht fertig zu werden. Die Gräfin waltete ruhig ihres Hausfrauenamtes, ging von einem zum andern, nötigte niemanden, befragte die Herren mit einem stummen Blick, lächelte und ging weiter. Die warme Luft des Saales hatte ihre Wangen rosenrot gefärbt, sie schien die Schwester ihrer Tochter zu sein, die so trocken und linkisch an ihrer Seite einherging. Als sie sich Fauchery näherte, der mit ihrem Gatten und dem Grafen Vandeuvres plauderte, merkte sie, daß diese Herren plötzlich verstummten. Sie blieb daher nicht stehen, sondern bot den Tee weiter an Georges Hugon.
    Eine Dame wünscht Sie bei ihrem Abendessen als Gast zu haben, sagte der Journalist dem Grafen Muffat in heiterem Tone.
    Der Graf, der den ganzen Abend ernst geblieben war, schien sehr überrascht zu sein. Welche Dame?
    Ei, Nana! sagte Vandeuvres, um die Sache kurz zu machen.
    Der Graf wurde noch ernster. Er zuckte kaum mit den Wimpern, während ein Schatten des Unbehagens über seine Züge flog.
    Ich kenne diese Dame nicht, sagte er.
    Sie waren ja bei ihr!
    Wie, ich wäre bei ihr gewesen ... Ah, richtig! Neulich, im Namen des Wohltätigkeitsvereins. Ich dachte nicht mehr daran. Einerlei ... Ich kenne sie nicht und nehme die Einladung nicht an.
    Er nahm eine frostige Miene an, wie um diesen Herren zu zeigen, daß der Spaß nicht nach seinem Geschmack sei. Ein Mann seines Ranges könne nicht an dem Tische einer solchen Dame Platz nehmen. Vandeuvres bestritt diese Ansicht: es handle sich um ein Künstleressen, und das Talent entschuldige alles. Doch der Graf hörte nicht weiter auf Fauchery, der ihm von einem Essen erzählte, bei dem der Prinz von Schottland, ein Sohn der britischen Königin, an der Seite einer ehemaligen Tingeltangelsängerin saß. Der Graf wollte nichts hören und machte sogar trotz seiner sonstigen Höflichkeit eine Gebärde des Unwillens.
    Georges und La Faloise, die nebeneinander stehend ihren Tee tranken, hatten dieses kurze Gespräch mit angehört.
    Also bei Nana ... murmelte La Faloise. Ich hätte mir's wohl denken können.
    Georges sagte nichts; aber er glühte, seine blonden Locken flatterten, seine blauen Augen funkelten, so sehr hatte das Laster, dessen Spuren er seit einigen Tagen folgte, ihn entflammt und erregt. Endlich sollten seine Träume sich verwirklichen! ...
    Aber ich weiß die Adresse nicht, bemerkte La Faloise.
    Boulevard Haußmann, zwischen der Arkadenstraße und der Pasquier-Straße im dritten Stock, sagte Georges in einem Zuge.
    Als der andere ihn verblüfft ansah, errötete er tief und fügte in äußerster Verwirrung hinzu:
    Ich bin mit dabei, sie hat mich heute morgen eingeladen.
    Inzwischen war im Salon eine große Bewegung entstanden. Vandeuvres und Fauchery hatten es aufgegeben, noch weiter in den Grafen Muffat zu dringen. Der Marquis Chouard war eben eingetreten und jedermann beeilte sich, ihn zu begrüßen. Er war mit schlotternden Beinen mühsam bis in die Mitte des Salons gegangen, wo er still stand, bleich und mit den Augen zwinkernd, als ob er, eben aus irgendeinem dunklen Gäßchen ins volle Licht tretend, durch die Helle der Lampen geblendet werde.
    Ich hatte nicht mehr gehofft, Sie heute noch zu sehen, Vater, sagte die Gräfin; und das hätte mir bis zum Morgen viel Unruhe verursacht.
    Er sah sie an, ohne zu antworten, mit der Miene eines Menschen, der nicht versteht, was man ihm sagt. Die große Nase in seinem rasierten Gesichte schien wie von einem bösen Übel angeschwollen, die Unterlippe hing herab. Madame Hugon empfand tiefes Mitleid mit dem alten Herrn, als sie ihn in diesem Zustande sah.
    Sie arbeiten zu viel und sollten sich mehr schonen, bemerkte sie; in unserem Alter muß man die Arbeit jüngeren Kräften überlassen.
    Die Arbeit, ja die Arbeit ... stammelte er endlich. Immer sehr viel Arbeit.
    Er erholte sich allmählich, richtete seine gebeugte Gestalt in die Höhe und fuhr sich seiner Gewohnheit gemäß mit der Hand durch die spärlichen weißen Locken, die hinter seinen Ohren flatterten.
    Was arbeiten Sie denn so spät? fragte Frau von Joncquoy.

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