Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Naokos Laecheln

Naokos Laecheln

Titel: Naokos Laecheln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
Vom Netzwerk:
unser ganzes Geld aufgebraucht. Eine Spritze kostete zwanzigtausend Yen, und sie bekam sie am laufenden Band. Sie brauchte ständige Pflege. Ich verbrachte soviel Zeit im Krankenhaus, daß ich das Studium um ein Jahr verschieben mußte. Und dann…« Sie brach mitten im Satz ab und schien es sich anders zu überlegen. Seufzend legte sie ihre Stäbchen ab. »Wie sind wir bloß auf dieses düstere Thema gekommen?«
    »Es hat mit der BH-Geschichte angefangen.«
    »Also iß dein Omelett mit Verstand«, sagte Midori mit ernster Miene.
    Als ich meinen Teil gegessen hatte, war ich satt. Midori aß viel weniger. »Wenn ich koche, werde ich schon vom Kochen satt«, erklärte sie. Sie räumte das Geschirr ab, wischte den Tisch sauber, nahm ein Päckchen Marlboro und zündete sich mit einem Streichholz eine an. Darauf zog sie das Glas mit den Narzissen zu sich heran und betrachtete die Blumen. »Ich lasse sie hier drin«, sagte sie. »Eine Vase paßt nicht so gut. So sehen sie aus, als hätte jemand sie gerade an einem Teich gepflückt und in das erste beste Glas gestellt.«
    »Ich habe sie wirklich an dem Teich am Bahnhof Ōtsuka gepflückt«, behauptete ich.
    Midori lachte. »Typisch. Du machst Witze, ohne eine Miene zu verziehen.«
    Das Kinn in die Hand gestützt, rauchte sie ihre Zigarette bis zur Hälfte und drückte sie dann im Aschenbecher aus. Sie rieb sich die Augen, als wäre Rauch hineingelangt.
    »Mädchen sollten ihre Zigaretten etwas graziöser ausdrücken. Bei dir sieht das ja aus wie bei einer Holzfällerin. Nicht so brutal in den Aschenbecher drücken, sondern behutsam ausdrehen. Dann wird sie auch nicht so zerquetscht. Das sieht schlecht aus. Außerdem solltest du den Rauch nicht durch die Nase blasen. Und die meisten Mädchen reden auch nicht von BHs, die sie drei Monate lang getragen haben, wenn sie mit einem Mann allein beim Essen sind.«
    »Ich bin eben eine Holzfällerin«, sagte Midori und kratzte sich an der Nase. »Ich schaffe es einfach nicht, damenhaft zu wirken. Manchmal versuche ich es zum Spaß, aber ich kann es mir nicht angewöhnen. Sonst noch was?«
    »Mädchen rauchen keine Marlboros.«
    »Ach, das ist doch egal. Sie schmecken doch alle gleich eklig.« Sie drehte das rote Marlboro-Hardpack hin und her. »Ich habe erst vorigen Monat angefangen zu rauchen. Eigentlich schmeckt es mir nicht besonders, ich hatte nur irgendwie Lust dazu.«
    »Wie kam das denn?«
    Midori preßte die Hände auf dem Tisch gegeneinander und überlegte. »Irgendwie. Du rauchst wohl nicht?«
    »Ich hab im Juni aufgehört.«
    »Warum?«
    »Es hat mich genervt, daß es mir schwerfiel, nachts ohne Zigaretten auszukommen. Also habe ich aufgehört. Ich mag es nicht, abhängig zu sein.«
    »Du bist ein Typ, der genau weiß, was er will, stimmt’s?«
    »Kann sein«, erwiderte ich. »Vielleicht mögen mich deshalb viele Leute nicht. So war’s schon immer.«
    »Vielleicht hast du ihnen zu deutlich gezeigt, daß es dir egal ist, ob sie dich mögen oder nicht. Das ärgert manche.« Sie nuschelte, das Kinn in die Hand gestützt. »Aber ich unterhalte mich gern mit dir. Du redest so anders. ›Ich mag es nicht, abhängig zu sein.‹«
    Beim Abwaschen stand ich neben ihr, trocknete ab und stapelte das Geschirr auf der Küchentheke.
    »Wo ist denn überhaupt deine Familie heute?« fragte ich.
    »Meine Mutter ist im Grab. Sie ist vor zwei Jahren gestorben.«
    »Ja, das habe ich schon erfahren.«
    »Meine Schwester ist mit ihrem Verlobten unterwegs. Sie sind irgendwohin gefahren. Er arbeitet bei einer Autofirma und ist deshalb ganz verrückt nach Autos. Ich mag Autos nicht.«
    Midori schwieg und spülte weiter, während ich stumm weiter abtrocknete.
    »Und dann ist da noch mein Vater«, sagte sie nach einer Weile.
    »Wo ist der denn heute?«
    »Mein Vater ist im Juni voriges Jahr nach Uruguay gegangen und nicht wiedergekommen.«
    »Nach Uruguay?« fragte ich erstaunt. »Wieso denn nach Uruguay?«
    »Er wollte nach Uruguay auswandern. So was Blödes. Ein ehemaliger Kamerad von ihm hat dort eine Farm, und plötzlich verkündet er, er will dorthin, steigt allein ins Flugzeug, und weg ist er. Wir haben alles versucht, ihn davon abzuhalten. Was soll er denn dort machen, er kann ja nicht einmal die Sprache. Vor allem ist er kaum je aus Tōkyō rausgekommen. Aber es hat nichts genützt. Der Verlust unserer Mutter war sicher ein zu großer Schock für ihn. Da ist er wohl durchgedreht. So sehr hat er meine Mutter geliebt. Wirklich.«
    Mir fiel

Weitere Kostenlose Bücher