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Naokos Laecheln

Naokos Laecheln

Titel: Naokos Laecheln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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wieder. Ich hob mit großem Geratter den Laden etwa einen Meter an, schlüpfte ins Haus und ließ ihn wieder runter. Als ich mich durch den stockdunklen Laden in den Flur vortastete, stolperte ich über einen auf dem Boden liegenden Stapel Zeitschriften. Im Flur zog ich die Schuhe aus und trat in das Dämmerlicht der Wohnung. Zunächst betrat man einen schlichten, recht kleinen Salon mit einer Polstergarnitur. Durch ein Fenster sickerte trübes Licht, das an alte polnische Filme erinnerte. Links befand sich eine Art Abstellkammer und anscheinend die Tür zu einer Toilette. Vorsichtig erklomm ich die steile Treppe zu meiner Rechten, die in den ersten Stock führte. Zu meiner nicht geringen Erleichterung war es hier oben viel heller als im Erdgeschoß.
    »Hier bin ich«, rief Midoris Stimme. Rechts von der Treppe lag ein Eßzimmer mit einer Küche dahinter. Das Haus war alt, aber die Küche war offenbar vor kurzem renoviert worden. Spülbecken, Wasserhähne und Schränke blitzten nagelneu. Midori war beim Kochen. In einem Topf brodelte etwas, und der Duft von gebratenem Fisch stieg mir in die Nase.
    »Im Kühlschrank ist Bier. Setz dich und trink eins. Es dauert noch einen Moment.« Midori warf einen kurzen Blick in meine Richtung. Ich nahm mir eine Dose Bier, die schon ein halbes Jahr im Kühlschrank liegen mußte, so kalt fühlte sie sich an, und setzte mich hin. Auf dem Tisch standen ein kleiner weißer Aschenbecher und eine Flasche Sojasoße. Daneben lagen eine Zeitung, ein Stift, ein Notizblock mit einer Telefonnummer und eine Einkaufsliste.
    »In zehn Minuten ist es fertig. Kannst du’s noch so lange aushalten?«
    »Natürlich«, sagte ich.
    »So kriegst du auch Appetit. Ich mache eine ordentliche Portion.«
    Während ich an meinem eisigen Bier nuckelte, beobachte ich Midori von hinten beim Kochen. Mit sparsamen, effizienten Bewegungen kochte sie gleichzeitig an vier verschiedenen Speisen. Hier schmeckte sie ein brodelndes Gericht ab, da hackte sie rasch etwas auf dem Küchenbrett, holte etwas aus dem Kühlschrank und wusch dazwischen noch einen Topf ab, den sie nicht mehr benötigte. Von hinten bot sie mir den Anblick eines indischen Musikers, der hier eine Glocke läutet, dort auf ein Holz klopft und da noch an einen Wasserbüffelknochen schlägt, alles ohne jede überflüssige Bewegung und in virtuosem Einklang. Bewundernd sah ich ihr zu.
    »Kann ich dir bei etwas helfen?« fragte ich schließlich.
    »Nein, nein, ich bin daran gewöhnt, allein zu kochen.« Midori lächelte mir zu. Sie trug enge Blue Jeans und ein marineblaues T-Shirt mit einem großen Logo der Plattenfirma Apple auf dem Rücken. Ihre Hüften waren so schmal, als hätte sie die Entwicklungsphase übersprungen, in der sich die Hüften herausbilden. Daher wirkte sie irgendwie androgyn, anders als die meisten Mädchen, wenn sie enge Jeans tragen. Das helle Licht, das vom Fenster über dem Spülbecken hereinströmte, umgab ihre Silhouette mit einem diffusen Schein.
    »Du hättest aber nicht so ein tolles Essen vorzubereiten brauchen«, sagte ich.
    »Ist nicht so toll«, entgegnete Midori, ohne sich umzudrehen. »Ich hatte gestern keine Zeit zum Einkaufen und koche nur etwas aus dem, was noch im Kühlschrank war. Mach dir keine Gedanken. Außerdem sind wir eine gastfreundliche Familie. Wir laden gern Leute ein, das ist fast zwanghaft bei uns. Nicht daß wir besonders nett oder beliebt wären, aber wenn wir Gäste haben, können wir nicht anders. Wir haben alle diesen Tick, mit all seinen Vor- und Nachteilen. Unser Vater trinkt zum Beispiel fast nie Alkohol, aber trotzdem haben wir immer etwas zu trinken im Haus. Für Gäste. Nimm dir also so viel Bier, wie du willst.«
    »Danke«, sagte ich.
    Plötzlich fiel mir ein, daß ich die Narzissen unten vergessen hatte. Als ich mir die Schuhe auszog, hatte ich sie neben mir abgelegt und dann liegenlassen. Also flitzte ich noch einmal nach unten, um die zehn zartgelben Narzissen aus der Dunkelheit zu retten. Midori nahm ein hohes, schmales Glas aus dem Schrank und stellte sie hinein.
    »Ich mag Narzissen«, sagte sie. »Bei einem Schulfest habe ich mal das Lied von den ›Sieben Narzissen‹ vorgetragen. Kennst du das?«
    »Klar kenne ich es.«
    »Früher war ich in einer Folkloregruppe und habe Gitarre gespielt.«
    Und sie sang das Lied von den »Sieben Narzissen«, während sie die Speisen anrichtete.
    Midoris Essen schmeckte unvergleichlich viel besser, als ich es erwartet hatte. Roßmakrele in einer

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