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Naokos Laecheln

Naokos Laecheln

Titel: Naokos Laecheln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Hause. Obwohl wir unterwegs keine besonderen Abenteuer erlebt hatten, war mir dieser Ausflug deutlich im Gedächtnis geblieben. Während der schneidende Herbstwind mir in den Ohren heulte, ich mich mit beiden Händen an Kizukis Jacke festhielt und in den Himmel sah, war mir gewesen, als könnte ich jeden Augenblick ins Weltall hinausgeschleudert werden.
    Lange Zeit lag ich reglos auf dem Sofa und ließ die Erinnerungen langsam an mir vorüberziehen. Warum wohl gerade dieses Zimmer in mir die Erinnerung an Erlebnisse und Szenen wachrief, an die ich seit langem kaum mehr gedacht hatte? Einige von ihnen waren angenehm, andere ein wenig traurig.
    Wie lange hatte ich so dagelegen? Ich war so im Strudel meiner Erinnerungen gefangen – sie sprudelten hervor wie eine Quelle zwischen Felsen –, daß ich nicht bemerkt hatte, wie Naoko leise die Tür öffnete und ins Zimmer trat. Als ich aufschaute, saß sie vor mir auf der Sofalehne und sah mich an. Ich schaute ihr eine Weile unverwandt in die Augen, denn zuerst glaubte ich, sie sei ein Trugbild, aus meinen Erinnerungen erwachsen. Aber es war wirklich Naoko.
    »Schläfst du?« fragte sie leise.
    »Nein, ich denke nur nach.« Ich setzte mich auf. »Wie geht es dir?« sagte Naoko mit dem fernen, blassen Schatten eines Lächelns. »Ich habe nicht viel Zeit, ich dürfte eigentlich gar nicht hier sein, aber ich konnte mich kurz wegschleichen. Ich muß gleich zurück. Mein Haar sieht schrecklich aus, oder?«
    »Überhaupt nicht. Es ist sehr hübsch.« Sie hatte ihr Haar wie ein Schulmädchen an der Seite festgesteckt, mit einer Spange wie früher. Es stand ihr sehr gut so, als hätte sie es schon immer so getragen. Sie sah wie eines dieser schönen jungen Mädchen auf mittelalterlichen Holzschnitten aus.
    »Es war so lästig, da habe ich Reiko gebeten, es mir zu schneiden. Gefällt es dir wirklich?«
    »Ja, ganz ehrlich.«
    »Meine Mutter findet es gräßlich.« Sie nahm die Spange heraus, ließ das Haar herunterhängen, fuhr mehrmals mit den Fingern hindurch und steckte es dann wieder fest. Die Spange hatte die Form eines Schmetterlings.
    »Ich wollte dich allein sehen, bevor wir immer nur zu dritt zusammen sind. Nicht, daß ich dir etwas Besonderes zu sagen hätte, aber ich wollte mich wieder an dein Gesicht gewöhnen und daran, daß du hier bist, um Zutrauen zu fassen. Im Moment fällt es mir schwer, mit anderen Menschen umzugehen.«
    »Und? Hast du dich schon ein bißchen an mich gewöhnt?«
    »Ein bißchen.« Sie betastete wieder ihre Haarspange. »Meine Zeit ist um, ich muß gehen.«
    Ich nickte.
    »Tōru, ich danke dir, daß du hergekommen bist. Ich freue mich unheimlich darüber, aber wenn es für dich eine Belastung ist, sag es mir bitte ganz offen. Das hier ist ein eigentümlicher Ort, mit einem eigenen System, mit dem nicht jeder zurechtkommt. Wenn das für dich so sein sollte, sag es mir bitte ganz ehrlich. Ich werde nicht enttäuscht sein. Wir sind hier in allen Dingen sehr ehrlich zueinander.«
    »Ich werde es dir ehrlich sagen«, versprach ich.
    Naoko setzte sich neben mich auf das Sofa und lehnte sich an mich. Als ich den Arm um sie legte, legte sie den Kopf an meine Schulter und schmiegte ihr Gesicht an meinen Hals. So blieb sie eine Weile, fast als wolle sie meine Körpertemperatur prüfen. Mit Naoko im Arm wurde es mir richtig warm ums Herz. Kurz darauf erhob sie sich wortlos und verschwand ebenso geräuschlos durch die Tür, wie sie hereingekommen war.
    Als Naoko fort war, schlief ich auf dem Sofa ein, obwohl ich es gar nicht vorgehabt hatte, aber erfüllt vom Bewußtsein ihrer Anwesenheit schlief ich so tief wie seit langer Zeit nicht mehr. In der Küche stand das Geschirr, von dem Naoko aß, im Bad die Zahnbürste, die Naoko benutzte, im Schlafzimmer das Bett, in dem sie schlief. In Naokos Wohnung sickerte durch meinen tiefen Schlaf die Erschöpfung aus jeder Zelle meines Körpers, Tropfen für Tropfen, während ich von einem im Dämmerlicht tanzenden Schmetterling träumte.
    Als ich erwachte, standen die Zeiger meiner Uhr auf fünf vor halb fünf. Die Farbe des Lichts hatte sich verändert, und der Wind hatte sich gelegt. Auch die Wolken hatten jetzt eine andere Form. Ich nahm ein kleines Handtuch aus meinem Gepäck, wischte mir den Schweiß vom Gesicht und zog mir ein frisches Hemd an. Ich ging in die Küche, trank Wasser und schaute aus dem Fenster über dem Waschbecken auf das Fenster des gegenüberliegenden Hauses. Hinter der Scheibe klebten

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