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Naokos Laecheln

Naokos Laecheln

Titel: Naokos Laecheln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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zu reden, aber Reiko und Naoko lachten sich halb kaputt darüber, weil es für sie so ungewöhnlich und absurd war. Anschließend machte Reiko sehr amüsant ein paar andere Patienten nach. Um elf sah Naoko so müde aus, daß Reiko die Couch auszog und mir Laken, Decke und Kissen gab, damit ich mein Bett machen konnte.
    »Und falls Sie in der Nacht Lust kriegen, jemanden zu vergewaltigen, passen Sie auf, daß es nicht zu einer Verwechslung kommt«, sagte Reiko. »Der faltenlose Leib von Naoko ist der auf der linken Seite.«
    »Gelogen, ich schlafe im rechten Bett!« rief Naoko.
    Reiko lachte. »Übrigens habe ich uns für morgen nachmittag vom Stundenplan befreit. Habt ihr Lust auf ein Picknick? Ich kenne da ein schönes Plätzchen nicht weit von hier.«
    »Gute Idee«, sagte ich.
    Nachdem die beiden sich die Zähne geputzt und sich in ihr Schlafzimmer zurückgezogen hatten, trank ich noch einen Brandy, streckte mich auf der Couch aus und ließ die Ereignisse des Tages, der mir unendlich lang vorkam, an mir vorüberziehen. Noch immer erfüllte weißes Mondlicht das Zimmer, und aus dem Raum nebenan, in dem Naoko und Reiko schliefen, drang bis auf das gelegentliche leise Knarren eines Bettes kaum ein Laut. Wenn ich die Augen schloß, flimmerten winzige Muster in der Dunkelheit, und in meinen Ohren vibrierten noch die Klänge von Reikos Gitarrenspiel. Schlaf überkam mich, trug mich fort und bettete mich in warmem Schlamm. Im Traum sah ich einen Bergpfad, der zu beiden Seiten von Weiden gesäumt war, von unglaublich vielen Weiden. Obwohl ein ziemlich starker Wind wehte, schwankten die Ruten der Weiden nicht. Während ich mich darüber noch wunderte, sah ich, daß auf jedem Zweig ein kleiner Vogel saß, der mit seinem Gewicht den Zweig beschwerte und so am Schwingen hinderte. Ich suchte mir einen Stock und schlug gegen die Zweige, um die Vögel zu verjagen, damit die Weiden sich frei bewegen konnten, doch statt davonzufliegen, verwandelten sie sich in Metallvögel und fielen klirrend zu Boden.
    Als ich die Augen aufschlug, meinte ich weiterzuträumen. Automatisch ließ ich den Blick über den Boden des in weißem Mondlicht daliegenden Zimmers schweifen, auf der Suche nach den Metallvögeln, die natürlich nicht da waren. Statt dessen sah ich Naoko am Fußende der Couch sitzen und aus dem Fenster starren. Die Knie angezogen und das Kinn darauf gestützt, glich sie einem hungrigen Waisenkind. Ich suchte unter dem Kopfkissen nach meiner Uhr, um nachzuschauen, wie spät es war, aber sie war nicht mehr dort, wo ich sie abgelegt hatte. Aus dem Stand des Mondes schloß ich, daß es zwischen zwei und drei Uhr morgens sein mußte. Ich hatte großen Durst, beschloß aber, liegenzubleiben und Naoko zu beobachten. Sie trug das blaue Nachthemd von vorhin und im Haar auf einer Seite die Schmetterlingsspange, so daß ich ihr schönes Profil im Mondlicht sehen konnte. Seltsam, dachte ich, denn ich erinnerte mich, daß sie die Spange vor dem Schlafengehen abgelegt hatte.
    Wie ein kleines Nachttier, das der Mondschein aus seinem Bau gelockt hatte, saß Naoko reglos da. Das Mondlicht fiel so auf sie, daß es die Silhouette ihres Mundes hervorhob, und ihr Herzschlag ließ diese zarte, verwundbare Silhouette fast unmerklich erbeben, als flüstere sie der Dunkelheit unhörbare Worte zu.
    Ich schluckte, um gegen meinen Durst anzugehen, gab damit in der nächtlichen Stille jedoch ein auffällig lautes Geräusch von mir. Als sei das ein Signal für sie, stand Naoko auf und kam zu mir herüber. Ihr Nachthemd raschelte ein wenig, als sie sich neben meinem Kopfkissen auf den Boden kniete, um mir unverwandt in die Augen zu starren. Ich erwiderte ihren Blick, aber ihre Augen sprachen nicht zu mir. Sie waren unnatürlich klar und schienen den Einblick in eine jenseitige Welt zu erlauben, aber solange ich auch in ihre Tiefe spähte, ich konnte nichts darin erkennen. Zwischen unseren Gesichtern lagen nur etwa dreißig Zentimeter, aber Naoko war Lichtjahre von mir entfernt.
    Als ich die Hand ausstreckte, um Naoko zu berühren, wich sie mit leicht bebendem Mund zurück. Im nächsten Moment begann sie langsam, von oben ihr Nachthemd aufzuknöpfen. Insgesamt waren es sieben Knöpfe. Während ich zusah, wie ihre schlanken, schönen Finger die kleinen, weißen Knöpfe einen nach dem anderen öffneten, fragte ich mich, ob ich nicht vielleicht doch noch träumte. Schließlich ließ Naoko das Nachthemd von ihren Schultern gleiten und warf es ab wie ein Insekt

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