Naokos Laecheln
seine Larve. Bis auf ihre Schmetterlingsspange war sie völlig nackt. Noch immer auf dem Boden kniend und in das milde Licht des Mondes getaucht, war Naokos Körper so herzzerreißend nackt wie der eines Neugeborenen. Wenn sie sich – kaum merklich – bewegte, spielten Licht und Schatten subtil auf ihrer Haut. Ihre runden, schwellenden Brüste, ihre winzigen Nippel, die Einbuchtung ihres Nabels, ihr Becken und ihr Schamhaar warfen grobkörnige, sich kräuselnde Schatten, die auf ihrer Haut spielten wie Wellen auf der Oberfläche eines ruhigen Sees.
Wann war Naoko zu einem so vollkommenen Körper gekommen? Was war mit dem Körper geschehen, den ich in jener Nacht im Frühling umarmt hatte?
Damals, als sie so sehr geweint hatte, während ich sie langsam und zärtlich auszog, hatte ihr Körper bei mir den Eindruck von Unvollkommenheit hinterlassen. Ihre Brüste waren mir hart und die Brustwarzen seltsam vorstehend erschienen, die Hüften irgendwie starr und unbeweglich, auch wenn Naoko natürlich ein schönes, verführerisches Mädchen gewesen war und meine sexuelle Erregung mich mit überwältigender Macht fortgerissen hatte. Dennoch hatte ich, als ich sie nackt in den Armen hielt, sie streichelte und küßte, ihren Körper als eigentümlich unharmonisch und linkisch erfahren. Ich hätte ihr damals gern erklärt, daß ein Geschlechtsverkehr nichts Außergewöhnliches oder Gefährliches sei. »Naoko, ich bin jetzt in dir drin, aber das hat nicht viel zu bedeuten. Man kann das tun, aber man kann’s auch lassen. Es ist nicht mehr und nicht weniger als die Vereinigung zweier Körper. Was wir hier machen, ist ein Gespräch mit Hilfe unserer unvollkommenen Körper. Indem wir sie aneinander reiben, teilen wir unsere Unvollkommenheit miteinander.« Aber natürlich wären diese Sätze nie richtig angekommen, und ich hatte mich damit begnügen müssen, Naoko schweigend an mich zu pressen. Und während ich das tat, konnte ich in ihrem Inneren eine harte Masse spüren, einen Fremdkörper, der nicht weichen wollte und mit dem ich niemals vertraut werden konnte. Und diese Empfindung erfüllte mich zugleich mit Liebe zu Naoko und verlieh meiner Erektion eine beängstigende Intensität.
Der Körper jedoch, den ich jetzt vor mir sah, war völlig anders. Naokos Körper mußte viele Verwandlungen durchlaufen haben, um in solcher Vollkommenheit im Mondlicht wiedergeboren zu werden. Alles mädchenhaft Mollige war seit Kizukis Tod daraus gewichen, und ein schöner Frauenkörper war entstanden. Naokos Anmut war so vollkommen, daß sie mich nicht sexuell erregte. Wie gebannt starrte ich auf ihre geschmeidige Taille, ihre vollen, runden Brüste, und sah hingerissen zu, wie ihr flacher Bauch sich bei jedem Atemzug über dem Schatten ihres weichen, schwarzen Schamhaars ruhig hob und senkte. So kniete sie etwa fünf oder sechs Minuten lang vor mir, bevor sie sich wieder ihr Nachthemd überstreifte und es von oben bis unten zuknöpfte. Als der letzte Knopf geschlossen war, erhob sie sich, öffnete leise die Tür zum Schlafzimmer und verschwand darin.
Lange blieb ich wie erstarrt liegen, bis mir die Idee kam aufzustehen. Ich hob meine Uhr auf, die zu Boden gerutscht war. Im Mondlicht erkannte ich, daß es zwanzig vor vier war. In der Küche schüttete ich mehrere Gläser Wasser in mich hinein, dann kroch ich wieder auf mein Lager, fiel aber erst in einen leichten Schlaf, als die Morgensonne bereits in alle Winkel des Zimmers vordrang und jede Spur des Mondlichts tilgte. Ich war im Halbschlaf, als Reiko ins Zimmer kam und mich mit einem lauten »Guten Morgen« und einem Klaps auf die Wange weckte.
Während Reiko mein Bett machte, bereitete Naoko in der Küche das Frühstück vor. »Guten Morgen«, sagte sie mit einem Lächeln. »Guten Morgen«, erwiderte ich. Ich stellte mich neben sie und schaute zu, wie sie, ein Lied summend, Wasser erhitzte und Brot aufschnitt. Nicht das mindeste an ihrem Verhalten deutete darauf hin, daß sie sich mir in der vergangenen Nacht nackt gezeigt hatte.
»Deine Augen sind ja ganz rot. Was ist los?« fragte sie, als sie mir Kaffee einschenkte.
»Ich bin mitten in der Nacht aufgewacht und konnte danach nicht mehr richtig einschlafen.«
»Haben wir geschnarcht?« fragte Reiko.
»Kein bißchen.«
»Ein Glück«, sagte Naoko.
»Das sagt er nur aus Höflichkeit.« Reiko gähnte. Zuerst glaubte ich, Naoko wolle sich vor Reiko nichts anmerken lassen oder genierte sich, aber als Reiko den Raum verließ, änderte
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