Naomi & Ely - die Freundschaft, die Liebe und alles dazwischen
sie beim Joggen zu hören.«
Kein Seufzer könnte tief genug sein, um meine Enttäuschung auszudrücken. Naomi, bitte!
»Gabriel!« Kurze Pause, dann richtet sie ihren Finger auf mich. »Ich mach dich fertig, wenn du über Britney oder Bon Jovi lästerst. Nicht weil ich die so besonders toll finde. Aber ich möchte mal wissen, was daran falsch sein soll!«
Nichts ist daran falsch. Allerdings ist daran auch nichts richtig.
Aber ich schätze ihren Kampfgeist. Naomi darf bei mir die Tigerin spielen, wann immer sie will.
Stück Nummer 5 Dixie Chicks: »Don’t Waste Your Heart«
Wahrscheinlich ist es Zeitverschwendung, Naomi zu fragen, wie sie auf die Idee kommen konnte, einen Mix zusammenzustellen, bei dem die Dixie Chicks auf Britney Spears folgen - ohne jeden Übergang, ohne einen Song dazwischen.
Wahrscheinlich hat sie an Ely gedacht und nicht an mich, als sie dieses Stück ausgesucht hat.
Ein zugekifftes, fix-und-fertiges Mädchen, das sich selbst und seine Jugend verschwendet, zu viel fragen zu wollen, ist wahrscheinlich sowieso Zeitverschwendung.
Fix-und-fertige Mädchen turnen mich normalerweise ab - nicht weil sie tatsächlich fertig sind, sondern weil sie fertig sein wollen -, aber bei Naomi hat ihr vernebeltes Hirn bloß die normale Selbstkontrolle außer Kraft gesetzt. Vielleicht hat das was Gutes. Das Mädchen schleppt Probleme mit sich rum, und es ist bestimmt besser für sie, die wegzureden, anstatt sie wegzukiffen oder womöglich irgendwann wegzukoksen oder wegzufixen.
Müde und zugekifft beichtet sie mir. »Ich dachte, Ely würde der Erste für mich sein. Verstehst du? Ist das nicht idiotisch? Ich hab auf ihn gewartet. Immer hab ich auf ihn gewartet. Aber er hat nie auf mich gewartet. Mein ganzes Leben lang nicht. Nie hab ich mithalten können. In der Schule, bei Verabredungen. Mit Jungs, vor allem mit Jungs. Immer war er vorne.«
Ich glaube, ich kann verstehen, dass man sich selber nur noch fertigmachen will, wenn einen der Mensch, den man sein ganzes Leben lang geliebt hat, nicht nur nicht genauso zurückliebt, sondern immer und überall überholt.
Ich glaube, ich würde ihr gerne dabei helfen, zu begreifen, dass es bessere Wege gibt, damit umzugehen.
Stück Nummer 7 Green Day: »Poprocks & Coke«
Ich bin mir nicht sicher, ob ich wirklich wissen will, wie dieser Song sich in ihren Mix geschmuggelt hat.
Ist Naomi ein Fan aus der Prä- oder aus der Post-Ära? Das heißt, hat ihre Liebe zu Green Day schon mit dem frühen Album »Dookie« eingesetzt oder hat sie die Band erst für sich entdeckt, nachdem »Boulevard of Broken Dreams« rauskam?
Naomi gähnt. »Keine Ahnung. Toller Rhythmus für einen Kiffer-Song.«
»Was?« Das ist ein Sakrileg. Toller Rhythmus, keine Frage - aber es ist ein Song über Hingabe und Liebessehnsucht, kein Song, um sich zuzudröhnen. Ich setze mich auf das freie Ende der Couch. Es wäre jetzt verlockend, ihre Füße auf meinen Schoß zu nehmen und ihr eine kleine Fußsohlenmassage zu machen, aber von dem Kodex für Portiers mal ganz abgesehen, der das als höchst ungebührliches Verhalten verurteilen würde, verlockt es mich noch viel mehr, herauszufinden, warum Naomi in allen Musikfragen so schlecht informiert ist. »Warum glaubst du, dass es ein Kiffer-Song ist?«
»Na ja, warum wohl? >Poprocks< bedeutet Crack und >Coke< Kokain.«
»Aber das ist doch nur der Titel. Die Wörter >Poprocks< und >Coke< tauchen in dem ganzen Stück kein einziges Mal auf.«
»Oh.« Wenn Naomi mich ansieht, weiß ich nie, ob hinter ihrem Blick wirkliches Interesse zu spüren ist oder nur Gleichgültigkeit. »Ist das denn so wichtig?« Sie schließt die Augen.
Natürlich ist das wichtig.
Ich kann sehen, wie sich ihre Brüste unter meiner Portiersjacke bei jedem Atemzug heben und senken.
Das ist auch sehr wichtig.
Ich würde gerne, aber ich kann nicht von ihr lassen.
Stück Nummer 8 Destiny’s Child: »Bootylicious«
Ich glaube nicht, dass sie wirklich für mein Angebot bereit ist, deshalb lasse ich sie schlafen. Ich wache über sie.
Als sie vorhin nach Hause gekommen ist, kam sie erst zu mir in meiner Pförtnerloge, bevor sie sich zum Schlafen auf die Couch geflüchtet hat. Ich hätte eigentlich auf den Überwachungsmonitoren das Geschehen vor dem Eingang verfolgen sollen, aber in Wahrheit guckte ich eine Gerichtsshow. Ich dachte, Naomi würde sich so verhalten wie immer, wenn sie bei mir aufkreuzt - mich mit einem Blick aus ihren haselnussbraunen Augen in der Seele
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