Naomi & Ely - die Freundschaft, die Liebe und alles dazwischen
treffen, dann nicht mehr als »Hallo« sagen und weitergehen. Wohl wissend (und damit völlig richtig liegend!), dass ich ihrem verstohlenen Hüftschwung meine ganze Aufmerksamkeit schenken würde. Und mir dann vielleicht noch eine kryptisch-zweideutige SMS aus dem Aufzug schickend.
»Hallo«, sagte sie. Reibeisenstimme, blutunterlaufene Augen.
Ich nickte und antwortete nichts. Bereit, aufzuspringen und sie aufzufangen, falls sie gleich umfallen würde.
Ich dachte, sie würde zum Aufzug weitergehen. Stattdessen verkündete sie: »Heute Abend wollten wir Robin-Mann wegen Verbrechen gegen die Weiblichkeit vor Gericht stellen, da hat Robin-Mann gesagt: >Okay, aber nur wenn ich das filmen darf< - ein weiterer Beweis dafür, wie wichtig es ist, dass er angeklagt werden muss, oder? Gott, wie selbstverliebt kann man sein. Aber Robin-Frau - ich hoffe, sie bricht ihm das Herz, das hoffe ich wirklich - fing plötzlich an: >Wir brauchen ein unabhängiges Gericht<, und deshalb hab ich gesagt: >Gabriel soll der Richter sein, weil er ein Erzengel ist.<<<
Das macht mir echt Sorgen. Die Assoziationen von Naomi sind so wenig originell, bei Namen ist das nicht anders als bei Songs.
Aber sie denkt an mich, wenn ich nicht da bin. Das weiß ich jetzt.
Das gefällt mir. Es zerstreut die Unruhe und ersetzt sie durch Hoffnung.
»Warum seid ihr dann nicht zu mir gekommen und habt mich gefragt, ob ich der Richter sein will?«, fragte ich.
»Robin-Mann ist losgezogen, um seine Super-8-Kamera zu holen, aber zurückgekommen ist er mit einer Wasserpfeife, und dann haben wir das mit dem Gericht vergessen.«
Mein Vater glaubt, dass ich groß was verpasse, wenn ich nicht auf die Uni gehe, aber da täuscht er sich.
Während Naomi schläft, nehme ich ihr Bild in mich auf. Sie mag zwar in Embryohaltung auf der Couch zusammengerollt sein, aber ihre seidigen langen Haare, die ihr übers Gesicht fallen, und ihre nackten Beine unter ihrem Minirock sind verdammt sexy, und das alles ist kein Kinderspiel mehr. Ihr Schlaf ist alles andere als friedlich. Sie atmet unregelmäßig und ihre Glieder zucken. Ich stelle mir vor, wie ich neben ihr im Bett liege, ihr über die Haare streiche, mein Bein über ihr Bein gelegt, sie fest umarmend und beruhigend.
Sie riecht nach dem Rauch eines Joints. Das ist kein schlechter Geruch. Nur ein trauriger.
Wenn ich ihr Freund wäre, würde ich sie auf gesündere Weise mit Anregungen versorgen.
Musikalisch. Körperlich.Spirituell.
Stück Nummer 11 Belle and Sebastian: »Asleep on a Sunbeam«
Durch die schlafende Naomi verzaubert, muss ich selbst eingeschlafen sein. Ich wache von dem Geräusch von Schritten auf den Marmorplatten der Eingangshalle auf.
Ely steht vor uns, allein. Wo ist sein Freund?
So seltsam es ist, Ely allein nach Hause kommen zu sehen, ich bin gleichzeitig erleichtert. Es wäre ein ungutes Zusammentreffen, wenn Naomi in diesem Augenblick aufwachen und Ely sehen würde. Aber wenn Bruce auch noch dabeistehen würde - einfach nur grässlich.
Das muss einer der Songs sein, die Ely besonders gemocht hat.
Jetzt ist Ely an der Reihe, den Anblick von Naomi, die vor ihm auf der Couch liegt, in sich aufzunehmen. Seine Augen wandern über ihre Haare, über meine Portiersjacke, die ihren Körper bedeckt, runter zu ihren Füßen. Dann machen sie einen Schwenk. Zu mir. Der neben ihr sitzt.
Ich weiß nicht, was ich jetzt tun soll. Es kümmert mich nicht, dass Ely mich womöglich vor der Eigentümerversammlung anschwärzt, weil ich gegen den Verhaltenskodex für Portiers verstoße. Er würde mir damit einen großen Gefallen tun, dann wäre ich diesen Job hier endlich los.
Es ist dieses Schweigen, der merkwürdige und quälende Blickwechsel zwischen uns. Ich nehme seinen Platz ein, das wissen wir beide.
Ich will aufstehen, aber Ely schüttelt den Kopf. Er macht mir durch eine Handbewegung klar, dass ich sitzen bleiben soll.
»Cool«, flüstert er.
Ich sehe ihm nach, wie er zum Aufzug geht.
Fortsetzung folgt
Um halb sechs wecke ich sie auf. Ich trommle sanft auf ihre Fußknöchel.
»Naomi«, flüstere ich. »Jeden Augenblick können jetzt alle möglichen Leute durch die Halle kommen. Besser, du stehst auf.«
Sie öffnet die Augen und lächelt mich verschlafen an. »Schön, dich als Erstes am Morgen zu sehen.« Sie ist immer noch zugekifft, muss ziemlich viel gewesen sein. Immer noch keine Schutzmauer.
Sie freut sich, mich beim Aufwachen zu sehen. Das ist doch schon mal was.
Naomi setzt sich
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