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Narben

Narben

Titel: Narben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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ausgestopften Tierköpfe, der schäbigen Möbel und der nackten Holzwände in sich auf.
    Nova schaute sie an und schien sich zu amüsieren. Es war nichts Krankenschwesternhaftes an ihr. Was machte sie nur bei diesem todkranken, grausamen Mann? War es Seelenverwandtschaft? War auch sie grausam?
    Sie legte die Hände auf die Hüften und beobachtete Lucy, wie sie sich vorsichtig dem Hinterzimmer näherte. Lucys Unsicherheit schien ihr eine gewisse Befriedigung zu bereiten.
    »Geh nur, meine Kleine. Daddy ist da drinnen.«
    Ich faßte Lucy am Ellbogen, doch sie schüttelte den Kopf und entzog sich meiner Berührung. Sie stand vor der Tür zur alten Bibliothek. Schließlich holte sie tief Luft und drückte die Klinke herunter.
    Wir kamen in einen großen, dunklen Raum. Die Wände waren voller Bücher. Ein säuerlicher Geruch, der Geruch von Urin und Exkrementen, schlug uns entgegen.
    Lowell ruhte halb sitzend in einem alten Krankenhausbett, das sich in der Mitte des Zimmers befand. Der Rollstuhl stand zusammengeklappt in einer Ecke. Lowells Haar, immer noch ungewaschen, bedeckte das Kissen. Seine langen Arme, bleich, die Venen blau geschwollen, ragten aus einem ausgefransten Unterhemd und lagen leblos auf der Bettdecke. Sein Kinn war mit weißen Stoppeln bedeckt, seine Augen starrten ins Leere. Er schien wach zu sein, doch dann fiel sein Kopf zur Seite. Seine Augen schlossen sich.
    Lucy schaute sich lange im Zimmer um. Ich folgte ihrem Blick, der auf den Bücherregalen verweilte, als würde sie etwas wiedererkennen. Eine Tür in einer Ecke des Zimmers stand offen und führte in ein kleines Badezimmer, doch Lucy schien sich mehr für eine andere zu interessieren, eine verriegelte Tür zwischen zwei Fenstern. Sie führte in den Wald.
    Auf dem Boden lagen Zeitschriften und Zeitungen verstreut. Auf einem Hocker war ein Aluminiumtablett voller schmutzigen Geschirrs abgestellt. Ein leerer Nachttopf thronte auf einer Sammlung alter Paris Review -Nummern, daneben standen ein Pappkarton mit leeren Whiskeyflaschen und ein altes schwarzes Telefon.
    Lucy zitterte bis in die Fingerspitzen.
    Lowell stöhnte und warf seinen Kopf hin und her, doch seine Augen blieben geschlossen.
    Lucy rührte sich nicht. Ihre Blicke wanderten weiter im Zimmer umher, von den schmutzigen Fenstern zur Hintertür, auf die Blockhauswände und zurück, doch sie verharrte immer wieder bei der Tür. Es war die Tür, durch die sie damals das Haus verlassen hatte.
    Lowell öffnete die Augen und schien uns endlich zu bemerken. Er stieß ein gequältes, wütendes Stöhnen aus und begann sich aufzurichten. Er hievte sich fluchend hoch, bis er sich mit dem Rücken an die Kissen lehnen konnte.
    Er sah nicht gut aus. Die letzten beiden Tage schienen ihm schwer zugesetzt zu haben.
    Lucy betrachtete ihn, so wie man ein ekelhaftes Insekt betrachtet, das eine Wand hochkriecht. Er hustete donnernd, stülpte die Lippen vor und spuckte gelben Schleim auf den Boden.
    Auch Lucy sah elend aus, doch sie hielt sich auf den Beinen. Lowell grinste sie an.
    »Süß. Sehr süß.«
    Er kicherte und musterte sie weiter von oben bis unten, als wäre sie ein Möbelstück.
    »Spielst du Tennis?«
    Lucy schüttelte den Kopf.
    »Aber du hast Tennisbeine, das sehe ich sogar durch die verdammten Jeans. Spielst du überhaupt irgendwas?«
    Noch ein Kopf schütteln.
    »Natürlich nicht. Sie hat keine Lust zum Spielen.« Er rieb sich die Augen und kicherte in sich hinein.
    »Also, was kann ich dir anbieten, mein Lämmchen? Alkohol? Heroin? Oder ist die Wahrheit deine Droge, oder was du dafür hältst? Soll ich dir Geschichten erzählen? Ist dies ein großer Augenblick für dich?«
    Lucy blieb stumm.
    »Keine Geschichten? Was dann?« Sie starrte auf die Hintertür.
    Lowell schrie los und schlug auf die Bettdecke. »Du bist also nur hier, um mich anzugaffen, du kleine Schlange! Du rauschst hier mit deinem Hirnmechaniker herein, um dich daran aufzugeilen, wie dreckig es mir geht!«
    Er lachte heiser.
    »Jawohl, mein Kind, es tut weh, es tut höllisch weh, an allen Knochen, an sämtlichen Nervenenden. Vielleicht hast du eines Tages auch mal solche Schmerzen. Dann wirst du verstehen, was es heißt, hier zu sitzen, in diesem nach Scheiße stinkenden Orkus, und mir gefallen zu lassen, daß du mit deinem kleinen Tennisarsch hierherkommst, um dir aus meinem Elend einen großen, kühlen Rachecocktail zu mixen.«
    Lucy starrte immer noch die Tür an.
    »Na was, strafendes Schweigen?«
    Lowell lachte und

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