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Narben

Narben

Titel: Narben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Nadel lag nicht weit davon entfernt. In Lowells linker Armbeuge bemerkte ich einen frischen Einstich.
    Lucy war an der Tür stehengeblieben, und nun hörte ich sie weggehen.
    Ich nahm das alte schwarze Telefon in die Hand und wählte.
    Auf dem Grundstück wimmelte es kurze Zeit später von Polizisten. Lowell wachte nicht auf und schien immer blasser zu werden. Eine halbe Stunde später war ein Notarztwagen zur Stelle und nahm den alten Mann mit.
    Milo war immer noch nicht in seinem Büro, doch diesmal konnte ich mit Del Hardy sprechen, mit dem ich schon einmal zusammengearbeitet hatte. Er kam mit dem ersten Polizeiwagen. Ich hatte ihn lange nicht gesehen. Sein Haar war inzwischen fast vollkommen grau, und er hatte zugenommen. Seine Anwesenheit bewahrte uns vor den lästigen Verdächtigungen von Seiten der Polizisten, die uns nicht kannten. Trotzdem mußten wir bis nach Mitternacht Fragen beantworten.
    Immer wieder gingen Leute zurück in den Wald. Lucy war vor einer Stunde dort gewesen und hatte den Beamten die Stelle an der großen Weide gezeigt, die daraufhin sofort eingezäunt wurde.
    Wir saßen auf Klappstühlen neben meinem Wagen. Lucy hatte eine Wolldecke bekommen und sich überreden lassen, ein Stück Brot mit Erdnußbutter und Marmelade zu essen.
    Um ein Uhr früh rief jemand: »Knochen!«
    Milo schaute uns an und schüttelte den Kopf. Er beugte sich hinunter und küßte Lucy auf die Wange. Sie hielt seinen Kopf fest und erwiderte den Kuß. Sobald sie ihn losließ, drückte er mir die Hand.
    »Del hat mir alles berichtet. Tut mir leid, daß ich den großen Augenblick verpaßt habe, aber ich mußte einen Hubschrauber aufhalten.«
    »Wessen Hubschrauber?«
    »Apes.«
    »Er wollte verschwinden? Wie hast du davon erfahren?«
    »Ich hatte ihn den ganzen Tag beobachtet. Nach dem Mittagessen ging er zurück zu seinem Büro, aber anstatt in seinem Stockwerk aus dem Lift zu steigen, fuhr er aufs Dach, wo der Hubschrauber schon bereitstand - wie im Film. Ape behauptete, er wolle nur zum Tennisspielen nach Santa Barbara. Seltsamerweise war aber seine Limousine mit Koffern vollgestopft, und der Chauffeur hatte die Papiere für einen Privatflug vom Imperial Terminal nach Lissabon in der Tasche. In nächster Zeit wird Ape nirgendwohin fliegen. Er hat eine hübsche kleine Zelle im Bezirksgefängnis.«
    »Für welches Vergehen?«
    Milo grinste. »Verkehrsdelikte. Der Idiot hat allein im letzten Jahr Dutzende von Strafzetteln gesammelt, meistens wegen Falschparken vor Clubs und Restaurants.«
    »Damit könnt ihr ihn sicher nicht lange festhalten.«
    »Warte. - Als ich ihn durchsuchte, fand ich ein Tütchen mit einer weißen, pulverförmigen Substanz bei ihm. Als dann die Drogenfahndung kam, spielten die Suchhunde verrückt. Einer der Koffer war voll von Kokain.«
    »Seine Reisekasse für einen längeren Urlaub, nehme ich an. Egal, was Graydon hier angestellt hätte, Ape wäre längst über alle Berge.«
    »Der Plan war nicht schlecht, aber einen längeren Urlaub können wir ihm auch verschaffen.«

46
    Christopher Graydon-Jones flüsterte mit seinem Rechtsanwalt. Ich saß zusammen mit Lucy, Milo und einer Vertreterin der Staatsanwaltschaft auf der anderen Seite der Scheibe. Leah Schwartz war um die Dreißig, hatte langes blondes Haar und riesige blaue Augen. Sie hatte Lucy und mich zwei Tage lang vernommen und dabei fleißig Notizen gemacht und den Kassettenrecorder laufenlassen.
    Das Kokain in Apes Gepäck war nur ein kleiner Teil seines Lagers. In einem Keller unter seinem Haus am Broad Beach hatte man die zwanzigfache Menge gefunden. Seitdem interessierten sich Männer in grauen Anzügen für ihn. »Noch eine Sonderkommission«, hatte Milo gestöhnt.
    Bald darauf fand Leah Schwartz heraus, daß die Bundesbehörden sich seit längerem für Apes Geschäfte interessiert hatten. Man glaubte, die Advent-Gruppe und ihre Ableger - einschließlich Graydons Versicherungsfirma - wären nichts anderes als Geldwaschanlagen. Milo hatte mich gestern in die Details eingeweiht.
    »Wie lange hatten sie ihn schon verdächtigt?« fragte ich Milo, als Leah den Raum verließ.
    »Schon lange.«
    »Warum hat man dann früher nichts unternommen?«
    »Moment mal, du hast es mit den Bundesbehörden zu tun. Die kümmern sich nicht um Verbrechensbekämpfung. Was die interessiert, ist die Struktur und der Umfang seiner Geschäfte, damit sie alles konfiszieren können. Das bringt mehr Geld als Parkzettel verteilen.«
    »Willst du damit sagen, man

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