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Narben

Narben

Titel: Narben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Boden knien. Wenn das keine Vorsehung war…«
    »Sie ließ die Vorhänge auf? Das sieht eher nach einem Hilferuf aus.«
    »Für mich kommt es jedenfalls völlig überraschend. Ich hab nichts gemerkt. Ich fühle mich wie ein Idiot.«
    »Mensch, Alex, was ist denn passiert, zum Teufel?«
    »Mehr als du denkst. Viel mehr.«
    »Und du kannst mir nichts erzählen.«
    »Doch, das muß ich sogar, aber nicht per Telefon. Wann können wir uns treffen?«
    »In einer Dreiviertelstunde, bei Gino.«
    Ginos Trattoria ist nicht weit von Milos Revier. Es ist eines dieser Lokale mit karierten Tischdecken, Chiantiflaschen an der Decke und, als einziger Lichtquelle, Kerzen auf den Tischen, in verrußten gelblichen Glasleuchten, die noch nie gereinigt worden waren. Milo saß an einem der hinteren Ecktische. Der Kerzenschein betonte gnadenlos jeden Krater und Hügel in seinem Gesicht. Vor ihm auf dem Tisch standen zwei Gläser Bier, von denen er mir eines zuschob.
    »Wie kommt es, daß du plötzlich darüber reden kannst?«
    »Weil Lucy mich darum gebeten hat. Sie behauptet, jemand versuchte, sie umzubringen. Sie möchte, daß du sie beschützt. Ich bin sicher, sie phantasiert - eine Nachwirkung der Gasvergiftung. Oder ein Verdrängungsversuch, weil sie nicht mit der Tatsache klarkommt, daß sie sich das Leben nehmen wollte. Wie auch immer, ich muß ihre Bitte als förmlichen Auftrag akzeptieren.«
    »Wie stellt sie sich das vor? Soll sie jemand zum Herd geschleift und ihren Kopf in den Ofen gesteckt haben?«
    »Sie war überhaupt nicht in der Lage, über Einzelheiten zu reden.«
    »Weißt du noch, ihre vier Anrufe bei mir? Sie hat sich über irgendeinen Telefonterror beklagt.«
    »Das hat sie mir erzählt. Sie sagte, du nähmst es nicht sehr ernst.«
    »Richtig, aber nur, weil sie es selbst nicht ernst zu nehmen schien. Sie sagte, wahrscheinlich wäre ihr Telefon kaputt. Sie schien sich nichts daraus zu machen. Ich dachte, sie wollte einfach nur mit mir plaudern.«
    »Sicher. Das ist eine der Sachen, über die ich mit dir reden muß. Sie hat sich ernstlich in dich verknallt. Das hat sie mir gestern gestanden.«
    Er rührte sich nicht und schwieg.
    »Sie bat mich praktisch um deine Hand, Milo. Ich konnte ihr nicht erzählen, daß du schwul bist; das ist schließlich deine Privatsache. Und dich konnte ich auch nicht warnen. Sie war vollkommen außer sich und lief weg. Und jetzt das. Ich habe das Gefühl, alles ist vollkommen schiefgegangen, obwohl ich nicht weiß, was ich anders hätte machen können.«
    »Du hättest es ihr erzählen sollen, Alex. Ich bin nicht dein Patient.«
    »Ich dachte, es wäre falsch, dein Privatleben vor ihr auszubreiten. Sie war die Patientin; um sie mußte es gehen in unseren Sitzungen. - Hat sie dir je ihre Gefühle gezeigt?«
    »Ich weiß nicht«, sagte er heftig. »Mein Gott, ja: Sie rief mich ständig an, auch wenn es nichts zu reden gab, aber ich dachte, es wäre die übliche Sache zwischen Opfern und Polizisten, die Sehnsucht nach dem großen Bruder. - Verdammt, was bin ich für ein Arschloch, es so weit kommen zu lassen. Die ganzen Jahre habe ich mich davor gehütet, es zu persönlich werden zu lassen mit Opfern oder deren Familien. Warum passiert es mir mit ihr?«
    »Du hast nichts falsch gemacht, Milo. Du hast sie unterstützt, und als du meintest, sie brauchte andere Hilfe, hast du sie zu mir geschickt.«
    »Es war leider mehr als das, und zwar von meiner Seite. Wahrscheinlich hat sie das gespürt.«
    »Mehr?«
    »Ja. Sie ging mir nicht aus dem Kopf. Ich machte mir Sorgen um sie. Manchmal habe ich sie sogar angerufen, nur um zu fragen, wie es ihr ging.« Er schlug auf den Tisch. »Wie sollte sie es denn sonst auffassen? - Was bin ich für ein Vollidiot! Warum nur? Sie war nicht einmal ein Opfer. Ich habe Tausende von Leuten vor mir gehabt, denen es wirklich dreckig ging, und jetzt habe ich sie am Bein. Was soll ich ihr denn sagen: O Schatz, wenn ich was für Frauen übrig hätte, wärst du die erste auf der Liste? - Dann kann ich gleich ihren Kopf in den Ofen zurückschieben.«
    »Im Augenblick brauchst du gar nichts zu machen. Warten wir ab, wie sie die zweiundsiebzig Stunden übersteht. Wenn die Psychiaterin im Woodbridge etwas taugt, dann weiß sie, was zu tun ist. - Es gibt aber noch mehr, worüber du Bescheid wissen solltest.« Ich erzählte ihm von Lucys Vergangenheit als Prostituierte.
    »O Mann, es wird immer besser. Nur einen Sommer lang, sagst du? Versuchsweise, sozusagen?«
    »Das

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