Narben
Totschläger; gleich nach der Party verschwand er in der Versenkung.«
»Du meinst, er hatte einen Grund.«
»Warum sollte er sich sonst auf der Höhe seines Ruhms aus dem Staub machen? Nach all den Jahren hinter Gittern war er plötzlich ein Bestseller-Autor. - Nein, er muß einen triftigen Grund gehabt haben, in dem Moment zu verschwinden. Stell dir die Publicity vor: er und Lowell in ein Verbrechen verwikkelt. Wahrscheinlich haben sie sich geeinigt, daß er sich auf irgendeine tropische Insel zurückzieht und seine Tantiemen verpraßt.«
Milo rieb sich das Gesicht und starrte die Kerze an. »So etwas ergibt nur Sinn, wenn es keine Zeugen gibt - oder wenn man sie aus dem Weg räumt«, sagte er leise.
»Vielleicht hat Lucy wirklich gesehen, wie Lowell, Trafficant und ein Dritter eine Leiche beseitigt haben.«
Er dachte lange nach. »Vergiß nicht, all diese Spekulationen sind bisher nur auf einen Traum gestützt. Wahrscheinlicher ist, daß Trafficant nicht mehr gesehen wurde, weil er tot ist; weil er sein ganzes Geld für Dope ausgegeben hat und am Ende an einer Überdosis verreckt ist. Schließlich war er ein Psychopath, ein Verlierer. Enden die nicht meistens in einem Akt von Selbstzerstörung?«
»Gewöhnlich, ja. Aber trotzdem - daß er und Lucy zur selben Zeit am selben Ort waren, daß sie den Sommer total verdrängt und plötzlich von einem toten Mädchen zu träumen beginnt… Ich könnte Trafficants Verlag anrufen. Vielleicht weiß man dort, wo er sich aufhält. Und du könntest in euren Datenbanken nachforschen.«
»Warum nicht? - Vielleicht ist der ganze Traum aber auch nur ein Hirngespinst. Phantasie…« Wie er es sagte, klang es wie eine Krankheit. »Ich hab sie zwar gern, aber sie hat doch Probleme, nicht wahr? Der Backofen und dann das paranoide Geschwätz, daß jemand sie umbringen will. Und die mysteriösen Anrufe. Ich komme mir wie ein Unmensch vor, wenn ich es ausspreche, aber muß ich mich nicht fragen, ob sie nicht alles nur erfindet, um meine Aufmerksamkeit zu gewinnen, nachdem du mir erzählt hast, sie wäre verknallt in mich? Sieht nicht sogar der Selbstmordversuch danach aus? Der Kopf im Backofen, bei geöffneten Vorhängen?«
Er stürzte den Rest von seinem Bier hinunter und wartete auf meine Antwort.
»Ich gebe zu, ihr Verhalten hat etwas Hysterisches an sich, aber laß uns wohlwollend sein und annehmen, daß, selbst wenn sie Geschichten erfindet, es aus Not geschieht und nicht, um uns zu manipulieren. Mein Gefühl sagt mir, daß tatsächlich etwas geschehen ist, als sie vier war, und das jetzt in ihrem Unterbewußtsein rumort. Etwas, das direkt oder indirekt mit Lowell zu tun hat. Sie ist nicht die einzige mit starken Gefühlen, was ihn betrifft. Ihr Halbbruder nennt ihn einen Schweinehund. Er handelt mit Immobilien, und sein größter Traum ist, eines Tages seinen Vater auszukaufen und auf die Straße zu jagen. Vielleicht ist auch ihm etwas passiert damals. Wir sollten auf jeden Fall nachforschen, ob um die Zeit in Topanga ein dunkelhaariges Mädchen als vermißt, vergewaltigt oder ermordet gemeldet wurde. Wenn ja, dann hätten wir einen objektiven Beleg, daß an dem Traum etwas dran sein könnte; wenn nicht, so weiß ich wenigstens, in welche Richtung meine Therapie mit Lucy gehen muß.«
»Ich könnte beim Sheriff in Malibu anrufen. Die Verbrechensrate ist dort immer gering gewesen. Das heißt, er müßte nicht allzu viele Akten durchgehen - vorausgesetzt, sie haben die alten Papiere überhaupt aufbewahrt. Diesen Trafficant kann ich auch überprüfen, soweit seine Akte zugänglich ist. Wann genau war diese Party?«
»Im August - Mitte August.«
Er zog sein Notizbuch aus der Tasche und schrieb es sich auf.
»Ich hoffe, sie erholt sich«, sagte er traurig.
»Das hoffe ich auch.«
11
Milo war in einem zivilen Polizeiwagen gekommen und hatte um die Ecke geparkt. Ich begleitete ihn dahin, und als er einstieg, fragte ich: »Gibt es etwas Neues von dem Santa-Ana-Mord?«
»Schwandts Anwälte versuchen, einen neuen Prozeß daran aufzuhängen.«
»Du machst Witze.«
»Leider nicht. In den Augen der Rechtsverdreher stellt die Ähnlichkeit zwischen den Morden Schwandts Schuld in sämtlichen Fällen in Frage. Handfeste Beweise hatten wir nur bei Carrie, Marie Rosenhut und Berna Mendoza. Bei den anderen gab es nur Indizien.«
»Na und? Reicht es nicht, daß er zumindest die drei, die du genannt hast, auf dem Gewissen hat?«
»Drei gegen fünfzehn. Die Opfermasse - so nennen die
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