Narben
hieß Iris Jenrette, zweiunddreißig, einszweiundsechzig, fünfzig Kilo, blond, grüne Augen, zuletzt aufgetaucht im Beachrider Motel, Point Dume. Sie kam aus Idaho, war auf Hochzeitsreise. Nach einem Streit mit dem Liebsten setzte sie sich ins Auto, rauschte ab und wurde nie mehr gesehen. - Soll ich weitermachen ?«
»Bitte.«
»Nummer drei: Karen Denise Best, neunzehn, einssiebzig, dreiundfünfzig Kilo, blond, blaue Augen, aus Massachusetts. Sie kellnerte im Restaurant Sand Dollar in Paradise Cove, von wo sie nach einer Abendschicht verschwand. Die Eltern meldeten sie vermißt, als der wöchentliche Anruf ausblieb.
Die vierte, Christine Faylen, ebenfalls neunzehn, einsfünfundsechzig, vierundfünfzig Kilo, langes braunes Haar, braune Augen, Studentin in Denver. Sie war mit zwei Freundinnen auf Reisen und hatte eine Bude in Venice gemietet. Sie ging weg, um sich eine Cola zu kaufen, am Zuma-Strand, und kam nicht zurück.«
»Die Beschreibung klingt eher nach langen Beinen, und die Haarfarbe stimmt. Interessant auch, wie sie verschwand - an einem Strand, am hellichten Tag…«
»Und dann soll sie zehn, zwanzig Kilometer entfernt auf einer Party auftauchen? Wahrscheinlich war sie am nächsten Tag wieder da, und ihre Freundinnen haben sich nicht die Mühe gemacht, der Polizei Bescheid zu sagen. Das passiert oft. Jedenfalls ist in keinem der vier Fälle von einer Gewalttat die Rede. Meiner Meinung nach ist Lucy nie Zeugin eines Verbrechens geworden. Entweder sie sah Leute beim Liebemachen und hat es falsch interpretiert, oder ihr Vater und/oder das Arschloch Trafficant haben etwas mit ihr gemacht. Oder das Ganze entspringt einfach ihrer Phantasie.«
»Wahrscheinlich hast du recht.«
»Aber? Ich höre ein ›aber‹ in deiner Stimme.«
»Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich ein bißchen nachforsche?«
»Was meinst du damit?«
»Die Eltern der vermißten Mädchen anrufen, besonders die von Christine Faylen.«
»Warum, Alex?«
»Weil ich möglichst viele Unsicherheiten ausschließen möchte. Das hilft Lucys Therapeuten, wer immer das sein wird, und Lucy selbst. Sie wird immer verwirrter. Je sicherer wir sind, was damals passiert ist und was nicht, desto besser werden die Chancen, daß ihr geholfen werden kann.«
»Und wenn Lucy gar keinen Therapeuten mehr sehen will? Sagtest du nicht, sie wolle vielleicht aufhören?«
»Dann habe ich eben ein paar Anrufe umsonst gemacht. Würdest du nicht dasselbe tun an meiner Stelle?«
»Sicher… also, hier sind die Daten: wann zuletzt gesehen und die nächsten Verwandten. Ich hoffe, sie sind alle wieder aufgetaucht; ich hoffe es für die Leute, die du nach einundzwanzig Jahren damit belästigst.«
Ich schrieb mit.
Jessica Gallegos - 2. Juli - Eltern Mr. und Mrs. Ernesto Gallegos.
Iris Jenrette - 29. Juli - Ehemann James Jenrette.
Karen Best - 14. August - Eltern Mr. und Mrs. Simon Best. Christine Faylen - 21. August - die Freundinnen, Shelley Anne Daniels und Lisa Joanne Constantino - Eltern Mr. und Mrs. David Faylen.
Ich überlegte eine Weile, wie ich die Gespräche anfangen könnte. Dann setzte ich mich ans Telefon.
Unter der Nummer der Gallegos meldete sich ein katholischer Altkleiderladen. Im Telefonbuch von Ventura und Oxnard standen eine Reihe Gallegos, doch kein Ernesto und keine Jessica.
Bei den Jenrettes in Boise, Idaho, kam eine Frau ans Telefon.
»Ist James Jenrette da?«
»Der ist arbeiten. Wer spricht denn da?«
»Er hat uns um Informationen über unsere Hausratsversicherung gebeten.«
»Davon hat er nichts gesagt. Außerdem sind wir schon über beide Ohren versichert.«
»Sind Sie Mrs. Jenrette?«
»Ja, Iris Jenrette«, sagte sie ungeduldig. »Ich weiß nicht, was er mit Ihnen ausgemacht hat. Rufen Sie am besten nach neun noch mal an. Er ist heute bis spät im Laden.«
»Danke.« Ich legte auf.
Der Anschluß der Familie Best in Massachusetts war besetzt, und bei den Faylens bekam ich einen Anrufbeantworter zu hören. Die Stimme einer älteren Frau, mit unterdrücktem Lachen:
»Tag. Dies ist die Wohnung von Cynthia und Dave. Wir sind nicht zu Hause, oder wir sind einfach zu faul, ans Telefon zu gehen. Wenn Sie also unbedingt müssen, warten Sie auf den berühmten Ton, und sagen Sie Ihren Spruch.«
Über die Auskunft in Denver kam ich ohne Schwierigkeiten an Christine Faylens Nummer.
»Ja?«
»Christine Faylen, bitte.«
»Das Büro ist geschlossen. Sie reden mit der Anmeldung.«
»Ich muß sie dringend sprechen.«
»Augenblick,
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