Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Narben

Narben

Titel: Narben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
Vom Netzwerk:
die Mutter wählen. Er hatte es nur auf die Mädchen abgesehen.«
    »Abgesehen? Wie meinen Sie das?«
    »Er wollte uns fertigmachen, angefangen mit den Namen. Wie soll ich den Leuten hier vertrauen, wenn sie mich nicht einmal so nennen, wie ich will? Ich sage immer wieder, mein Name ist Lucy, doch jedesmal, wenn eine neue Schwester ihre Schicht beginnt, guckt sie auf ihre Karte und liest ›Lucretia‹. Lucretia dies, Lucretia das…«
    Sie stand auf und schaute aus dem Fenster.
    »Ich habe meinen Kopf nicht in den Ofen gesteckt. Ich hab keine Ahnung, wie ich dahin gekommen bin; ich weiß nur, daß ich es nicht getan habe. Weder im Schlaf noch sonstwie.«
    »Wie können Sie so sicher sein?«
    »Ich weiß es einfach. Das würde ich Dr. Embrey natürlich nie erzählen. Die hält mich doch für geisteskrank.«
    »Das tut sie nicht und ich erst recht nicht, aber ich bin nicht sicher, ob Sie es nicht vielleicht im Schlaf getan haben. Das ist ungewöhnlich, aber nicht ausgeschlossen.«
    »Doch, es ist ausgeschlossen. Ich weiß es einfach.«
    Sie drehte mir den Rücken zu und begann zu weinen. »Ich weiß, es klingt paranoid, aber jemand versucht, mich umzubringen. Ich habe Dr. Embrey erzählt, ich hätte meine Meinung darüber geändert, weil ich nicht will, daß sie mich für immer einsperren, aber Ihnen muß ich sagen, was passiert ist. Versprechen Sie mir, daß sie nichts davon erfährt?«
    »Sie können sich darauf verlassen, Lucy.«
    »Danke.« Sie wischte sich die Tränen ab und lächelte. »Ich habe meinen Kopf nicht in diesen Backofen gesteckt. Warum sollte ich? Ich will leben. - Diese Anrufe. Ich dachte, es hätte nichts zu bedeuten, aber ich muß es Ihnen sagen, auch wenn Sie dann denken, ich bin total wahnsinnig, und ich auf ewig eingesperrt werde…«
    Sie begann wieder zu weinen, noch heftiger. Ich legte ihr meine Hand auf die Schulter, bis sie sich beruhigte.
    »Ich werde nichts tun, was dazu führt, daß Sie länger hierbleiben müssen, wenn Sie mir versprechen, sich nichts anzutun.«
    »Das will ich sowieso nicht, Doktor, das schwöre ich.«
    Sie saß einige Augenblicke still. Dann begann sie: »Es war gleich nach meinem ersten Besuch bei Ihnen. Ich kam abends nach Hause und merkte, daß jemand meine Sachen angefaßt hatte.«
    »Was für Sachen?«
    »Kleider… Unterwäsche. Ich bin keine Ordnungsfanatikerin, aber ich habe nun mal für alles einen bestimmten Platz. Jemand hatte meine Schlüpfer und BHs angefaßt. Sie lagen in der richtigen Schublade, aber umgedreht, als ob sie jemand herausgenommen und wieder zurückgelegt hätte, doch ganz anders gefaltet, als ich es tue. Und ein Teil konnte ich überhaupt nicht mehr finden.«
    »Warum haben Sie niemandem davon erzählt?«
    »Ich weiß nicht. Es ist nur das eine Mal passiert, und ich dachte, ich hätte es mir vielleicht nur eingebildet. Einen Tag davor hatte ich alles gewaschen. Das fehlende Stück war vielleicht in der Waschmaschine geblieben, und vielleicht war ich einfach in Gedanken gewesen und hatte den Rest anders gefaltet als sonst. Es ist nicht meine Art, gleich das Schlimmste zu vermuten, aber inzwischen bin ich sicher, daß jemand in meiner Wohnung gewesen sein muß.«
    Sie klammerte sich an meinen Arm. »Vielleicht fingen deshalb die Träume wieder an. Weil ich mich bedroht fühlte.
    Manchmal denke ich, ich bilde mir alles nur ein, aber ich bin doch nicht verrückt.«
    Ich tätschelte ihre Schulter, und sie ließ meinen Arm los.
    »Es war Ken, der mich gerettet hat?«
    »Ja.«
    »Wie ist er?«
    »Er scheint ganz nett zu sein.«
    »Was mir auch noch Sorgen macht: Wo ist Peter? Dr. Embrey hat mir erzählt, er hätte aus New Mexico angerufen, aber wieso?«
    »Ken hat er auch von dort angerufen.«
    Sie griff wieder nach meinem Arm, diesmal noch fester.
    »Warum hat er mich dann nicht angerufen?« Ich sagte nichts.
    »Es ergibt einfach keinen Sinn!«
    »Er hat beiden gesagt, er wäre auf irgendeiner Geschäftsreise. Vor zwei Tagen war er mit Ken zum Abendessen verabredet, aber dann erschien er nicht. Auf die Weise hat Ken Sie gefunden. Er kam zu Ihrer Wohnung, weil er Peter suchte und weil der ihm erzählt hatte, daß Sie ihm nahestehen.«
    »Wieso wußte ich nichts von der Verabredung?«
    »Das war Absicht. Sie wollten erst sehen, ob sie sich verstehen und ob es überhaupt einen Sinn hat, daß Sie ihn kennenlernen.«
    »Sie meinen, Peter wollte mich beschützen. Typisch.« Sie stand auf und band ihr Haar los. »Peter spielt immer meinen Beschützer,

Weitere Kostenlose Bücher