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Narben

Narben

Titel: Narben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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nicht der Typ, der lockerläßt. Die Suche nach Karen hat ihn ruiniert. Nach Mutters Tod haben wir ihm das Haus abgekauft, und er ist nach Kalifornien gezogen.«
    »Sie meinen, er lebt jetzt hier?«
    »In Highland Park.«
    Anderthalb Stunden von Malibu. »Ist er hierhergezogen, um nach Karen zu suchen?«
    »Das war der offizielle Grund, aber… Was soll ich sagen? Er ist mein Vater. Reden Sie doch mit ihm, und sehen Sie selbst.«
    »Ich möchte nicht, daß er sich unnötig aufregt.«
    »Keine Sorge, das wird er bestimmt nicht. Ich gebe Ihnen die Adresse und die Telefonnummer…«
    Ich bedankte mich, und er fragte: »Was meinen Sie denn mit ›verschleppt‹? Entführt oder etwas Schlimmeres?«
    »Der Zeuge erinnert sich, daß ein Mädchen von mehreren Männern weggetragen wurde, doch er war damals sehr jung, und die Einzelheiten könnten ganz falsch sein. Ob es Karen war, steht keineswegs fest. Es tut mir leid, daß ich Sie anrufen mußte, ohne mehr sagen zu können. Wir sind noch weit entfernt von echten Beweisen.«
    »Sie sagen, sehr jung. Meinen Sie damit, es war ein Kind?«
    »Genau.«
    »Na, dann haben Sie wirklich nicht viel in der Hand. Geht es vielleicht um mehrere verschwundene Mädchen? Ich verstehe nämlich nicht, daß man nur wegen Karen so ein Aufhebens macht. Sind Sie etwa wieder so einem Massenmörder auf der Spur?«
    »Es gibt keinen Anlaß, das anzunehmen, Mr. Best. Ich verspreche, ich melde mich, falls wir etwas herausfinden.«
    »Ich hoffe, das tun Sie wirklich. Karen war meine einzige Schwester. Meine Kinder haben es da besser. Wir haben sechs.«
    »Gibt es noch etwas, das Sie mir über Karen erzählen wollen?«
    »Wie meinen Sie das? Sie war schön, sie war lieb, sie war wunderbar. Nächsten Monat würde sie vierzig. Ich dachte an sie, als ich achtunddreißig wurde, vor ein paar Wochen. Sie ist tot. Es kann nicht anders sein. Ich wußte, ihr war etwas passiert, als sie sich plötzlich nicht mehr meldete. Sie rief wenigstens einmal die Woche an, immer sonntags und gewöhnlich noch an anderen Tagen. Sie hätte uns nie all die Jahre im Ungewissen gelassen. Wenn sie noch lebte, hätten wir von ihr gehört. Es muß etwas Furchtbares geschehen sein. Wenn Sie herausfinden, was es war, wie schlimm auch immer, rufen Sie mich an. Verlassen Sie sich nicht darauf, daß mein Vater es mir mitteilt. Geben Sie mir Ihre Telefonnummer.«
    Ich gab ihm meine und Milos. Bevor ich auflegte, dankte er mir, und das deprimierte mich.

14
    Einundzwanzig Jahre Schmerz.
    Simon Bests Telefonnummer starrte mich an. Es war nicht einfach, den Hörer in die Hand zu nehmen. Es antwortete eine weibliche Tonbandstimme.
    »Willkommen in der Kirche der Dargebotenen Hand. Wenn Sie wegen Lebensmittelspenden anrufen, so finden Sie unser Lagerhaus am Cahuenga Boulevard, Hausnummer 1678, zwischen Melrose und Santa Monica. Unser Schalter ist jederzeit geöffnet…«
    Ich dachte, ich hätte mich verwählt, versuchte es noch einmal und bekam dasselbe Band zu hören.
    »… besonders Konserven, Milchpulver und Säuglingsnahrung. Wenn Sie geistliche Hilfe wünschen, rufen Sie bitte…«
    Ich folgte dem Rat und fragte nach Simon Best.
    »Reverend Best ist hinten im Lager. Kann ich Ihnen vielleicht helfen?«
    Ich erzählte die halbwahre Geschichte vom Polizeipsychologen.
    »Polizei? Ist etwas passiert?«
    »Es geht um seine Tochter.«
    »Karen?« Die Stimme sprang eine Oktave höher.
    »Ja.«
    »Warten Sie! Eine Sekunde!«
    »Simon Best. Was gibt es über Karen?«
    Ich begann mit meiner Vorstellungsansprache.
    »Bitte«, unterbrach er mich, »berichten Sie mir von Karen.« Ich wiederholte, was ich seinem Sohn erzählt hatte. Als ich fertig war, sagt er: »Gott sei gepriesen! Ich wußte, man würde sie finden!«
    »Mr. Best, ich will nicht -«
    »Keine Sorge, Sir, ich erwarte nicht, daß wir sie wiederbekommen. Es gibt nur eine Wiedergeburt. Aber die Wahrheit - ich wußte, sie würde ans Licht kommen.«
    »Die Wahrheit kennen wir noch nicht, Reverend, nur -«
    »Aber es ist wenigstens ein Anfang. Was sagt denn Ihr Zeuge?«
    »Nur, was ich eben erzählt habe, Sir.«
    »Ich habe Ihnen auch etwas zu erzählen: Namen, Daten und Indizien. Darf ich Sie Ihnen zeigen? Es mag dumm klingen, aber bitte, würden Sie einem alten Irren den Gefallen tun?«
    »Sicher.«
    »Wann können wir uns treffen? Ich könnte zu Ihnen kommen.«
    »Wie wär’s mit morgen?«
    Er verstummte für einen Augenblick. »Wenn es sein muß, warte ich bis morgen, aber lieber wäre es

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