Narben
mir heute.«
»Dann sagen wir doch, heute abend um neun.«
»Neun Uhr, ausgezeichnet. Und wo? Die Unterlagen sind bei mir zu Hause.«
»Also, bei Ihnen dann.«
»Ich wohne in Highland Park.«
Er nannte mir die Adresse, die ich schon von seinem Sohn bekommen hatte. »Ich freue mich darauf, Sir. Gott segne Sie.«
Simon Best lebte in einem Häuschen mit Aussicht auf ein ausgetrocknetes Flußbett und eine sechsspurige Straße: ein Schuhkarton mit flachem Teerdach, aufgesprühtem Putz, der im Abendlicht rosa glühte, und Eisengittern vor den Fenstern. In der Einfahrt war ein zwanzig Jahre alter Oldsmobile geparkt. Er empfing mich vor der Haustür, ein kleiner runder Mann mit kleinem rundem Kopf, Knollennase und schmalem Mund. Er trug eine Brille mit schwarzer Fassung, ein weißes Polyesterhemd und einen schmalen grauen Schlips. Die wenigen Haare, die er noch hatte, waren schwarz und fettig.
»Dr. Delaware?« Er bat mich herein, schloß die Tür hinter uns und schob zwei Riegel vor. Das Haus roch nach Dosensuppe. Vorn war es in ein niedriges, schmales Wohnzimmer und eine noch engere Eßecke unterteilt. Die Möbel waren alt und abgenutzt, doch jedes Stück ordentlich an seinem Platz. An den Wänden hingen gerahmte Poster mit Bibelszenen.
»Ich habe Kaffee gemacht, Sir. Bitte setzen Sie sich.«
Auf dem Eßtisch waren eine Kaffeemaschine, zwei Plastiktassen auf Untertellern, Zuckerdose, Milchkännchen und eine Schale mit Doppelkeksen arrangiert. Daneben ein großer Pappkarton mit der Aufschrift KAREN.
Wir saßen uns gegenüber. Best nahm die Kanne aus der Maschine und schenkte mir ein.
»Karen ähnelte mehr ihrer Mutter«, nahm er meine Gedanken vorweg. »Meine Frau war eine Schönheit. Die ganze Stadt fragte sich, was sie an mir fand.«
Er lachte. Ich sah seine braunen Zähne und die klaffenden Lücken dazwischen.
»Mein Sohn Craig geriet auch mehr nach ihr. Bitte, nehmen Sie doch einen Keks. - Karen brach sie immer auseinander und aß die Füllung zuerst.«
Er füllte seine eigene Tasse. »Wie sind Sie gerade auf Karen gekommen?«
»So wie ich es Ihnen erzählt habe, Reverend.«
Er stülpte die Lippen vor und schloß einen Moment lang die Augen. »Ich will Ihnen zeigen, was ich habe, und Sie sagen mir, ob es Ihnen weiterhilft.«
Er stand auf und griff tief in den Karton. Bald war der Tisch mit Ringbüchern, Bündeln von Zeitungsausschnitten und anderem Papier bedeckt. Als erstes knotete er die Ausschnitte auf. Sie waren von vor einundzwanzig Jahren und stammten aus einem Anzeigenblatt. Das erste Bündel waren blau eingekreiste Kleinanzeigen von zwei Monaten.
Vermißt. Belohnung. Karen Denise Best, 19 J., 170 cm, 53 kg, blond, evtl. braun gefärbt, blaue Augen, Ostküstenakzent, Blinddarmnarbe. Unsere Tochter wurde zuletzt im Restaurant Sand Dollar in Paradise Cove gesehen. Wir lieben sie sehr und machen uns Sorgen. Bitte rufen Sie an, Tel. 508-555- 4532. Jede Information, die uns hilft, sie zu finden, wird belohnt.
»Hat sich jemand darauf gemeldet?« fragte ich.
»Ja, es gab viele Anrufe. Lügner und Witzbolde meist, aber auch wohlmeinende Menschen, die dachten, sie hätten sie gesehen. Alles in allem habe ich achthundertfünfundfünfzig Dollar ausbezahlt.«
Ich blätterte in den Zeitungsausschnitten. Der letzte war ein Artikel aus dem Redaktionsteil, umgeben von Anzeigen für lokale Läden. In der Mitte ein verschwommenes Foto einer hübschen Blondine. Die Unschuld und Lebensfreude in ihrem Gesicht konnte nicht einmal durch die schlechte Druckqualität verdorben werden.
VATER REIST VON OST NACH WEST AUF DER SUCHE NACH SEINER TOCHTER Malibu . Simon Best ist ein entschlossener Mann. Aufgewachsen in der Finsternis der Großen Depression, kämpfte er im Zweiten Weltkrieg und stieg zum Rang des Sergeants auf. Er kam heim, heiratete seine Schulliebe und stampfte einen Großhandel für Sanitäreinrichtungen aus dem Boden. Zu guter Letzt gab es Nachwuchs: die wunderschöne blonde Karen und, zwei Jahre später, den sommersprossigen Craig.
So weit, so gut. Doch dann schlug das Schicksal zu. Karen, schön von Antlitz, Gestalt und Herz, Ballkönigin, Volleyballspielerin und Hundenärrin, ließ ein Heer von Verehrern zurück in New Bedford, Massachusetts, um ihrem Traum nachzujagen: Hollywood.
Sie kam im Bus und erfuhr rasch, daß ihr Traum in Beverly Hills zu finden war. Und in Malibu. Für uns sind das nur Orte, an denen wir zu Hause sind, doch für Karen klangen sie nach Abenteuer und Ruhm. Ihr Traum.
Wie
Weitere Kostenlose Bücher